Mobbing – Voraussetzungen für Schmerzensgeldanspruch

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer billigen Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) gem. §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 278 BGB i. V. m. §§ 241 Abs. 2, 253 Abs. 2 wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch ihre Erfüllungsgehilfen. Die Klägerin bezieht sich im Wesentlichen auf das Verhalten der Führungskräfte des Revisionsdienstes (Herr L., ehemaliger Leiter des Revisionsdienstes; Herr G. (Vertreter), Herr L. (Nachfolger von Herrn K., ehemaliger Abteilungsleiter) und Herrn C. vom Personalmanagement. Die Erfüllungsgehilfen der
Beklagten haben keine Pflichtverletzung begangen, die einen Schmerzensgeldanspruch rechtfertigt.

1. Gemäß § 278 BGB haftet der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer für schuldhaft begangene Verletzungen arbeitsvertraglicher Pflichten durch von ihm als Erfüllungsgehilfen eingesetzte andere Arbeitnehmer und Vorgesetzte. Der Arbeitgeber hat demzufolge für schuldhafte Pflichtverletzungen der auf seine Erfüllungsgehilfen übertragenen arbeitsvertraglichen Fürsorge- und Schutzpflichten einzustehen. Dies betrifft Mitarbeiter, die gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer die Fürsorgepflicht konkretisieren bzw. Weisungsrechte haben. Eine Zurechnung kommt
hingegen nicht in Betracht, wenn gleichgestellte Kollegen agieren (BAG 25.10.2007 – 8 AZR 593/06 – AP Nr. 6 zu § 611 BGB Mobbing; BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – NZA 2007, 1154; ErfK/Preis, 9. Aufl. § 619a BGB Rz. 64; Palandt/Heinrichs, 69. Aufl. § 278 Rz.16).

2. Die Klägerin behauptet, durch ihre Vorgesetzten und deren Stellevertreter, sowie Mitarbeiter des
Personalmanagement seit 2008 gemobbt worden zu sein.
a) „Mobbing” ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine Anspruchsgrundlage für Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber oder gegen Vorgesetzte bzw. einen oder mehrere Arbeitskollegen. Insofern muss jeweils geprüft werden, ob der in Anspruch Genommene in den von der Klägerin genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht des Arbeitnehmers iSd. § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige
vorsätzliche Schädigung iSd. § 826 BGB begangen hat (BAG 24.04.2008 – 8 AZR 347/07 – NZA 2009, 38; BAG 13.03.2008 – 2 AZR 88/07 – DB 2009, 68; BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – NZA 2007, 115).
b) Für den Begriff „Mobbing“ gibt es keine einheitliche Definition. Mobbing wird „als systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte“ (BAG 15.01.1997 – 7 ABR 14/96 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118) oder „fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweise, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen”, verstanden (LAG Thüringen 15.02.2001 – 5 Sa 102/2000 – LAGE BGB § 626 Nr. 133; 10.04.2001 – 5 Sa 403/2000 – LAGE GG Art. 2 Persönlichkeitsrecht Nr. 2; LAG Rheinland-Pfalz 16.08.2001 – 6 Sa 415/01 – NZA-RR 2002, 121; LAG Bremen 17.10.2002 – 3 Sa 78/02 – LAGE GG Art. 2 Persönlichkeitsrecht Nr. 5; LAG Hamm 25.06.2002 – 18 (11) Sa 1295/01 – NZARR
2003, 8).
Es geht um eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz zwischen Arbeitnehmern oder zwischen ihnen und den Vorgesetzten, bei der jemand systematisch und oft über einen längeren Zeitraum mit dem Ziel oder dem Ergebnis des Ausstoßes aus der Gemeinschaft direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet. Die zahlreich in Betracht kommenden Handlungen können darin bestehen, dass der Betroffene tätlich angegriffen oder auch nur geringschätzig behandelt, von der Kommunikation ausgeschlossen, beleidigt oder diskriminiert wird (LAG
Schleswig-Holstein 25.07.2008 – 2 Ta 106/08 – juris; LAG Schleswig-Holstein 01.04.2004 – 3 Sa 542/03 – NZA-RR 2005, 15; LAG Thüringen 15.02.2001 – 5 Sa 102/00 – LAGE BGB § 626 Nr. 133).
Der Arbeitnehmer darf keinem Verhalten ausgesetzt werden, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen und Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird (BAG 24.04.2008 – 8 AZR 17 347/07 – NZA 2009, 38; BAG 13.03.2008 – 2 AZR 88/07 – DB 2009, 68; BAG 25.10.2007 – 8 AZR 593/06 – NZA 2008, 223; BAG v. 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – NZA 2007, 1154; LAG Mecklenburg-
Vorpommern 13.01.2009 – 5 Sa 86/08 – juris; LAG Rheinland-Pfalz 30.10.2008 – 10 Sa 340/08 – juris).
Dies entspricht dem Begriff der Belästigung, wie er im AGG verwendet wird. Denn § 3 Abs. 3 AGG definiert den Begriff, der eine verbotene Benachteiligung nach §§ 1, 2 AGG darstellt.
c) Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, nicht geeignet sind, derartige rechtliche Tatbestände zu erfüllen (BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – NZA 2007, 1154; u. Verweis auf LAG Schleswig-Holstein 19.03.2002 – 3 Sa 1/02 – NZA-RR 2002, 457) und es daher gilt sog. folgenloses (Benecke NZA-RR 2003, 225, 228) oder sozial- und rechtsadäquates Verhalten (Rieble/Klumpp ZIP 2002, 369) aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, dh. ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen. Weisungen, die sich im Rahmen des dem Arbeitgeber zustehenden Direktionsrechts bewegen und bei denen sich nicht eindeutig eine schikanöse Tendenz entnehmen lässt, dürften nur in seltenen Fällen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen. Gleiches kann für den Rahmen des Direktionsrechts überschreitende Weisungen gelten, denen jedoch sachlich nachvollziehbare Erwägungen des Arbeitgebers zugrunde liegen (vgl. Benecke aaO; Rieble/Klumpp aaO).
An der mehrere Einzelhandlungen zusammenfassenden Systematik kann es darüber hinaus fehlen, wenn ein Arbeitnehmer von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinander folgen, in seiner Arbeitsleistung kritisiert oder schlecht beurteilt wird oder wenn die Arbeitsleistung nicht nur kritisiert oder ignoriert, sondern ausdrücklich gleichermaßen auch positiv gewürdigt wird. Ebenfalls können Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten nicht in die Prüfung einbezogen werden, die lediglich eine Reaktion auf Provokationen durch
den vermeintlich gemobbten Arbeitnehmer darstellen. Insoweit fehlt es an der von der Instanzrechtsprechung
und Lehre so bezeichneten eindeutigen Täter-Opfer-Konstellation (vgl. Thüringer LAG 10.04.2001 – 5 Sa 403/2000 – LAGE GG Art. 2 Persönlichkeitsrecht Nr. 2; Benecke aaO; dies. Mobbing Rn. 19 ff.). Ferner kann es an der für die Verletzungshandlung erforderlichen Systematik fehlen, wenn zwischen den einzelnen Teilakten lange zeitliche Zwischenräume liegen (vgl. Benecke Mobbing Rn. 34).
d) Die rechtliche Besonderheit der als Mobbing bezeichneten tatsächlichen Erscheinungen liegt letztlich darin, dass nicht eine einzelne, abgrenzbare Handlung, sondern die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte in einem Prozess zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers führen kann, wobei die einzelnen Teilakte jeweils für sich betrachtet rechtlich wiederum „neutral” sein können. Rechtlich betrachtet geht es damit zunächst um die Qualifizierung eines bestimmten Gesamtverhaltens als Verletzungshandlung im Rechtssinne. Die Zusammenfassung der einzelnen Verhaltensweisen erfolgt dabei durch die ihnen zugrunde liegende Systematik und Zielrichtung, Rechte und Rechtsgüter – im Regelfall das Persönlichkeitsrecht und/oder die Gesundheit des Betroffenen – zu beeinträchtigen (vgl. (BAG 24.04.2008 – 8 AZR 347/07 – NZA 2009, 38; BAG 13.03.2008 – 2 AZR 88/07 – DB 2009, 68; BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 593/06 – NZA 2008, 223; BAG v. 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – NZA 2007, 1154; LAG Niedersachsen v. 09.03.2009 – 9 Sa 378/08 – juris; Thüringer LAG 15. 02.2001 – 5 Sa 102/2000 – aaO; 10.06. 2004 – 1 Sa 148/01 – LAGE GG Art. 2 Persönlichkeitsrecht Nr. 8a; LAG Schleswig-Holstein 19.03.2002 – 3 Sa 1/02 – NZA-RR 2002, 457). Die Frage, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt ist, ist auf Grund einer Güter- und Interessenabwägung unter sorgsamer
Würdigung aller Umstände zu beurteilen (BAG 18.12.1984 – 3 AZR 389/83 – AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 8).
e) Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Kläger für die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig. Er hat im Rechtsstreit die einzelnen Handlungen oder Maßnahmen, aus denen er die angeblichen Pflichtverletzungen herleitet, konkret unter Angabe deren zeitlicher Lage zu bezeichnen. Nur dadurch werden die Tatsachengerichte in die Lage versetzt, zu überprüfen, ob die behaupteten Vorgänge für sich allein betrachtet oder in der Gesamtschau zu einer Rechtsbeeinträchtigung des Arbeitnehmers geführt haben, um dann gegebenenfalls über jeden
behaupteten Vorgang Beweis zu erheben (BAG 24.04.2008 – 8 AZR 347/07 – NZA 2009, 38; BAG 13.03.2008 – 2 AZR 88/07 – DB 2009, 68; BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 593/06 – NZA 2008, 223; BAG 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – NZA 2007, 1154).

LAG Düsseldorf Urt. vom 26.3.2013 – 17 Sa 602/12