Vorstellungsgespräch und Schadensersatz

leader_figure_redEiner schwerbehinderten Juristin steht Entschädigung zu, weil sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, und sie bekommt eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. Über die Höhe der Entschädigungen muss noch der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg und der VGH Bayern entscheiden.

Die Klägerin hat das Erste und Zweite Juristische Staatsexamen jeweils mit der Gesamtnote «befriedigend» bestanden. 2007 bewarb sie sich in Baden-Württemberg und Bayern erfolglos um eine Einstellung als Richterin. Sie wurde in beiden Ländern nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, weil sie – so das Baden-Württembergische Justizministerium und das Bayerische Arbeitsministerium – mit ihren Examensnoten das Anforderungsprofil nicht erfüllte. Die Klägerin forderte daraufhin eine Entschädigung nach dem AGG. Der öffentliche Arbeitgeber habe sie aufgrund ihrer Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen. Das Unterbleiben der Einladung lasse vermuten, dass er sie wegen ihrer Behinderung benachteiligt habe. Ihre beiden auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von maximal drei Monatsgehältern (jeweils etwa 12.000 Euro) gerichteten Klagen haben die Vorinstanzen abgewiesen.

Das BVerwG hat die Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg und des VGH Bayern aufgehoben und die Verfahren zur Klärung der angemessenen Höhe der von den beklagten Ländern zu zahlenden Entschädigung zurückverwiesen. Die Klägerin habe Anspruch auf eine Entschädigung.

Der öffentliche Arbeitgeber sei verpflichtet, schwerbehinderte Menschen, die sich um eine freie Stelle bewerben, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Die Einladung dürfe nur dann unterbleiben, wenn die fachliche Eignung des schwerbehinderten Bewerbers offensichtlich fehle. Auf Examensnoten dürfe der Dienstherr neben einer nachgewiesenen beruflichen Qualifikation nur abstellen, wenn er ein bestimmtes Notenniveau vorab und bindend in einem Anforderungsprofil für die zu besetzende Stelle festgelegt habe. Das sei im Jahr 2007 für Richterstellen weder in Baden-Württemberg noch in Bayern der Fall gewesen.

Danach war es laut BVerwG rechtswidrig, die Klägerin, die mit dem Zweiten Staatsexamen unstreitig die Befähigung zum Richteramt erworben hat, nicht zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Dies begründe die gesetzliche Vermutung dafür, dass die Klägerin durch Vorenthaltung der gesetzlichen Besserstellung benachteiligt worden sei. Diese verbotene Diskriminierung im Einstellungsverfahren verpflichte auch dann zu einer Entschädigung, wenn die Klägerin im Ergebnis bei benachteiligungsfreier Auswahl wegen ihrer Noten nicht eingestellt worden wäre, so das BVerwG.

Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 03.03.2011, BVerwG 5 C 15.10 und BVerwG 5 C 16.10