Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 3.7.2009

Der Deutsche Bundestag hat am 3.7.09 dieses Gesetz mit dem unglaublichen Namen „Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung“ beschlossen.

Mit dem Gesetz werden die Rechte von Anlegern gestärkt; insbesondere wird die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen im Fall einer Falschberatung bei Wertpapiergeschäften verbessert. Daneben wird das Schuldverschreibungsgesetz neu gefasst.

Den Anlegerinnen und Anlegern müssen die nötigen Informationen für eine richtige Entscheidung zur Verfügung stehen und dass sie im Fall einer falschen Beratung durch Finanzdienstleister ihre berechtigten Ansprüche besser durchsetzen können. Künftig muss über das Beratungsgespräch ein Protokoll gefertigt und dem Anleger übergeben werden. Darin müssen wahrheitsgemäße Angaben über die Aussagen des Anlegers zu seinen finanziellen Verhältnissen enthalten sein, aber auch, welches Produkt der Berater empfohlen hat und warum. So kann der Anleger besser als bisher beurteilen, ob das Produkt seinen Wünschen und vor allem seiner Risikobereitschaft entspricht. Die Protokollpflicht wirkt auch präventiv. Die Beratung wird besser, wenn die Berater anschließend ein Protokoll erstellen müssen. Wird falsch beraten, haben die Betroffenen zudem künftig bessere Karten vor Gericht, weil Schadensersatzansprüche künftig erst nach drei Jahren ab Kenntnis des Schadens verjähren.

Das Gesetz enthält im Wesentlichen folgende Regelungen:

Beratungs- und Dokumentationspflicht

Banken werden künftig verpflichtet, den Inhalt jeder Anlageberatung bei Privatanlegern zu protokollieren und den Kunden eine Ausfertigung des Protokolls auszuhändigen. Der wesentliche Ablauf des Beratungsgesprächs muss nachvollziehbar protokolliert werden. Dazu gehören insbesondere die Angaben und Wünsche des Kunden sowie die von Berater erteilten Empfehlungen und die für diese Empfehlungen maßgeblichen Gründe. Das Protokoll bekommen die Kunden noch vor Vertragsschluss übermittelt. So können sie kontrollieren, ob die Beratung richtig wiedergegeben ist und von dem Geschäft Abstand nehmen, wenn im Protokoll Risiken dargestellt sind, die in der Beratung nicht vermittelt wurden. Wählt der Kunde Kommunikationsmittel, die eine Protokollübermittlung vor dem Geschäftsabschluss nicht erlauben – insbesondere bei der Telefonberatung -, muss das Unternehmen das Protokoll unverzüglich übersenden. Der Kunde hat dann ein gesetzlich verankertes einwöchiges Rücktrittsrecht, wenn das Protokoll unrichtig oder unvollständig ist. Die Dokumentationspflicht soll den Anlageberater zu höherer Sorgfalt veranlassen, so dass insgesamt die Qualität der Beratung erhöht wird. In einem Prozess wegen schlechter Beratung kann sich der Kunde zudem auf das Beratungsprotokoll berufen. Geht aus dem Protokoll ein Beratungsfehler hervor, hat der Anleger das erforderliche Beweismittel in den Händen. Ist das Protokoll lückenhaft oder in sich unschlüssig – zum Beispiel weil nach den Kundenangaben eine risikolose Anlage gewünscht war, aber tatsächlich eine hochriskante Anlage empfohlen wurde – muss die Bank beweisen, dass sie gleichwohl ordnungsgemäß beraten hat.

Abschaffung der kurzen Sonderverjährungsfrist

Daneben wird die bestehende kurze Sonderverjährungsfrist bei Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung bei Wertpapieranlagen gestrichen. Künftig gilt auch für solche Ansprüche die regelmäßige Verjährung. Das bedeutet: Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung verjähren nicht mehr in drei Jahren seit Vertragsschluss. Die Dreijahresfrist beginnt vielmehr erst dann zu laufen, wenn der Anleger von dem Schaden erfahren hat. Unabhängig von der Kenntnis des Anlegers vom Schaden verjähren die Ansprüche jedoch spätestens in zehn Jahren.

Neufassung des Schuldverschreibungsgesetzes

Im Übrigen enthält das Gesetz eine Neufassung des Schuldverschrei-bungsgesetzes von 1899. Das alte Schuldverschreibungsgesetz schränkt die Befugnisse der Gläubiger aus heutiger Sicht zu stark ein und ist verfahrensrechtlich veraltet. Da die Märkte für Schuldverschreibungen international geworden sind, soll das Schuldverschreibungsrecht international üblichen Anforderungen soweit wie möglich angepasst werden. Die Neufassung stellt klar, dass Anleihebedingungen von Schuldverschreibungen international übliche Klauseln über Mehrheitsentscheidungen der Anleihegläubiger in einer Gläubigerversammlung zur Änderung der Anleihebedingungen enthalten dürfen. Hierzu werden zum Schutz der Schuldverschreibungsgläubiger verbindliche Mindeststandards aufgestellt. Die Rechte der Gläubiger sollen gestärkt werden, indem ihre Befugnisse, mit Mehrheit über die Anleihebedingungen zu entscheiden, inhaltlich erweitert werden. Zusätzlich enthält der Gesetzentwurf Vorschriften darüber, wer stimmberechtigt ist, und führt die Möglichkeit eines gemeinsamen Vertreters der Gläubiger ein. Die Verfahrensregelungen zur Einberufung, Frist und Bekanntmachung von Gläubigerversammlungen werden modernisiert, die Anfechtung von Gläubigerbeschlüssen zugelassen sowie die Möglichkeit einer virtuellen Gläubigerversammlung eingeführt.

Schließlich wird im Schuldverschreibungsgesetz ein Transparenzgebot hinsichtlich der in der Schuldverschreibung versprochenen Leistung verankert – auch dies hilft den Anlegerinnen und Anlegern, mögliche Risiken aus einer Schuldverschreibung besser erkennen zu können. Gerade im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise hat sich gezeigt, dass viele Anleger die Risiken der teilweise hochkomplexen Produkte nicht hinreichend verstehen.

Die verpflichtende Beratungsdokumentation soll ab dem 1. Januar 2010 gelten, damit den Banken die benötigte Zeit für organisatorische Vorbereitungen bleibt, zum Beispiel für Mitarbeiterschulungen. Im Übrigen soll das Gesetz am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Wann dies der Fall ist, hängt jetzt zunächst vom Bundesrat ab: wenn dieser Einwendungen erhebt und den Vermittlungsausschuss anruft, kann sich alles verzögern oder sogar ganz scheitern.

Quelle BMJ