Was haben Winnenden und der Germanwingsabsturz gemeinsam?

Nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen, die der Staatsanwalt Robin am 11.6.2015 mitteilte, lag in beiden Fällen Mord vor. In beiden Fällen töteten sich die Täter selbst.

Folglich kann man die Täter in beiden Fällen nicht mehr zur Verantwortung ziehen.

Gleichwohl gab es in dem abgeschlossen Verfahren Winnenden eine Verurteilung als Mittäter.

Verurteilt wurde der Vater des Täters wegen fahrlässiger Tötung und Unterlassen.
Zum Sachverhalt Winnenden1. Die Strafkammer hat festgestellt:
Der damals 17 Jahre alte Sohn des Angeklagten, T. K. , hatte am 11. März 2009 insgesamt 15 Personen erschossen und 14 Personen durch Schüsse verletzt. Die meisten Opfer waren Schülerinnen, Schüler und Lehrerinnen seiner ehemaligen Schule, der A. schule in Winnenden; T. K. hatte auf sie in Klassenzimmern und darüber hinaus im ganzen Schulgebäude geschossen („Amoklauf von Winnenden„). Anschließend flüchtete er zunächst auf das Gelände der psychiatrischen Klinik in Winnenden, wo er einen zufällig anwesenden Monteur erschoss. Danach zwang er einen ihm bis dahin unbekannten Kraftfahrer, ihn nach W. zu fahren, wo er sich schließlich auf dem Gelände eines Autohauses eine Schießerei mit der Polizei lieferte, durch die ein Angestellter und ein Kunde des Autohauses zu Tode kamen und mehrere Polizeibeamte verletzt wurden. Am Ende erschoss sich T. K. selbst.
Die Tatwaffe und die Munition stammten aus dem Besitz des Ange-klagten, eines passionierten Sportschützen. T. K. hatte unter im Detail nicht feststellbaren Umständen jedenfalls im Zeitraum zwischen Herbst 2008 und dem 11. März 2009 vom Angeklagten unbemerkt insgesamt 285 Schuss von verschiedenen Herstellern stammender Munition an sich gebracht. Diese hatte der Angeklagte an unterschiedlichen Orten innerhalb der Wohnung unverschlossen verwahrt. Ebenso unbemerkt vom Angeklagten hatte T. K. zu einem nicht mehr genauer feststellbaren Zeitpunkt, spätestens am Morgen des 11. März 2009, die dem Angeklagten ge-hörende Pistole Beretta entwendet, die der Angeklagte nicht ständig verschlossen, sondern (aus Angst vor Einbrechern) häufig unverschlossen in einem Schlafzimmerschrank verwahrt hatte.
T. K. war psychisch auffällig. Seit 2004 hatte er sich immer mehr zu einem Einzelgänger entwickelt. Er beschäftigte sich oft mit Compu-terspielen, insbesondere mit solchen, in denen er auf virtuelle Personen schoss. Anfang 2008 äußerte er gegenüber seiner Mutter nach entspre-chenden Internetrecherchen selbst den Verdacht, dass seine Stimmungs-schwankungen und schlechten Schulnoten auf „bipolare Störungen bezie-hungsweise manisch-depressive Erkrankungen„ zurückzuführen seien. Daraufhin veranlassten seine Eltern über den Hausarzt eine ambulante psychotherapeutische Behandlung in der psychiatrischen Klinik in Wei. (Klinikum We. ). Schon zu Beginn der Behandlung äußerte er dabei gegenüber der Therapeutin (Fremd-)Tötungsphantasien, worüber diese die Eltern unterrichtete. Im August 2008 wurde T. K. nach fünf ambu-lanten Gesprächsterminen aus der Behandlung des Klinikums entlassen. Die Klinik bewertete seinen Zustand zwar als deutlich verbessert, empfahl jedoch, dass er auch künftig ambulant psychologisch betreut werden sollte. Da T. K. keine weitere therapeutische Betreuung mehr wollte, unternahmen die Eltern in dieser Richtung nichts, sondern setzten sich über die Empfehlung hinweg. Dabei blieb es selbst dann noch, als sich der psychi-sche Zustand T. K. s wieder deutlich verschlechterte. Dies war für die Familie auch sichtbar, wie sich insbesondere aus dem Inhalt des Chat-Verkehrs der jüngeren Schwester T. K. s mit ihrem Freund ergibt. Statt jedoch für therapeutische Betreuung seines Sohnes zu sorgen, ermöglichte ihm der Angeklagte Schießübungen in seinem Schützenverein.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte we-gen fahrlässiger Tötung in 15 tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in 14 tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit fahrlässigem Überlassen einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe und erlaubnispflichtiger Munition an Nichtberechtigte, jeweils begangen durch Unterlassen, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Der Revision wurde aus formellen Gründen stattgegeben.

Für die neue Hauptverhandlung vor dem LG Stuttgart weist der Senat auf Folgendes hin:
Für die Frage der Verwertbarkeit der vorher zu den Akten gelang-ten „Epikrise„ sei daher eine Abwägung (§ 160a Abs. 2 StPO) zwischen dem postmortalen Persönlichkeitsschutz T. K. s und dem Interesse an der Tataufklärung vorzunehmen. Weil es sich bei der Straftat des Angeklagten nur um ein – wenngleich in den Auswirkungen erhebliches – fahrlässiges Delikt handele, die Eltern T. K. s als Hinterbliebene mit einer Offenbarung der „Epikrise„ tatsächlich nicht einverstanden waren und die Ärzte der Verwertung des Berichts inzwischen widersprochen hatten, überwiege letztlich der postmortale Persönlichkeitsschutz T. K. s.
c) Diese Ausführungen begegnen Bedenken (aa, bb). Darüber hinaus sind gewichtige Gesichtspunkte nicht angesprochen (cc).
aa) Die Strafkammer ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass nach dem Tode des Patienten die verbindliche Entscheidung über die Verwertbarkeit von ihn betreffenden ärztlichen Unterlagen nicht auf die Erben übergeht (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 31. Mai 1983 – VI ZR 259/81, NJW 1983, 2627 ff.). Ob die (hier bereits aktenkundigen) Unterlagen verwertbar sind, ist nach Maßgabe des § 160a Abs. 2 StPO abzuwägen. Das Ergebnis der Abwägung ist vom Revisionsgericht nur auf seine Vertretbarkeit hin zu überprüfen (vgl. BGHSt 41, 30; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 160a Rn. 18); jedoch unterliegen die der Abwägung zugrunde gelegten rechtlichen Maßstäbe revisionsrichterlicher Kontrolle.

Im Rahmen dieser Abwägung kann es freilich eine Rolle spielen, ob der (die) Erbe(n) des Patienten mit der Verwertung der den Patienten betreffenden Unterlagen einverstanden ist (sind). In diesem Zusammenhang kann gegebenenfalls auch zu berücksichtigen sein, dass der Angeklagte einerseits geltend macht, die Heranziehung der „Epikrise„ sei zu seiner Entlastung geboten, andererseits aber ihrer Heranziehung im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten dadurch gleichwohl entgegenwirkt, dass er die Frage nach einer „Schweigepflichtentbindung„ nicht nur offen lässt, sondern die Klärung durch widersprüchlichen Vortrag erschwert.
bb) Während dieser Gesichtspunkt sich im Ergebnis eher gegen eine Heranziehung der „Epikrise„ auswirken könnte, bestehen andererseits gegen die Gewichtung der Taten, die die Strafkammer zur Begründung der Ablehnung der Verwertung herangezogen hat (§ 160a Abs. 2 Satz 1 StPO), rechtliche Bedenken. Die Strafkammer meint, es liege keine „Straftat von erheblicher Bedeutung„ vor, und stellt entscheidend darauf ab, dass es sich nur um eine fahrlässig begangene Straftat handele. Damit legt die Strafkammer hinsichtlich des Begriffs „erhebliche Bedeutung„ einen unzutreffenden Maßstab an.
Eine Straftat hat „erhebliche Bedeutung„, wenn sie mindestens dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 109, 279, 344; 103, 21, 34; BT-Drucks. 16/5846, S. 40). Der Bereich mittlerer Kriminalität bestimmt sich maßgeblich nach den abstrakten Strafrahmen des materiellen Strafrechts, nicht nach der Schuldform. Bei entsprechend hohen Strafrahmen kann daher auch eine fahrlässige Straftat eine solche von „erheblicher Bedeutung„ sein. Selbst eine fahrlässige Körperverletzung kann nach den Umständen des Einzelfalls noch ausreichen (vgl. BVerfG NJW 2009, 2431; vgl. auch Rieß, GA 2004, 623, 638 ff. mwN). Hieran gemessen ist die Annahme, fahrlässige Tötungen (Höchststrafe fünf Jahre) seien, zumal unter den hier vor-liegenden konkreten Umständen, schon im Ansatz keine erheblichen Straftaten, nicht tragfähig.
cc) Die neue Strafkammer wird deutlicher als bisher im Ansatz auch Gelegenheit haben, Folgendes zu berücksichtigen: Der Persönlichkeits-schutz des Geheimnisinhabers (Patienten) wird durch dessen Tod in einen allgemeinen, der Abwehr von Angriffen auf die Menschenwürde dienenden Achtungsanspruch umgewandelt; dessen Schutzwirkung reicht jedenfalls weniger weit als das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Lebenden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 1998 – 2 StR 189/98). Diesem Interesse des Geheimnisinhabers (Patienten) steht das Interesse des Angeklagten gegenüber, nicht unschuldig verurteilt bzw. nicht schärfer als schuldangemessen bestraft zu werden (vgl. OLG Celle NJW 1965, 362).
Darüber, zu welchem Ergebnis die aufgeführten gegenläufigen Ge-sichtspunkte und die sonstigen, in diesem Zusammenhang von der Straf-kammer angestellten Erwägungen letztlich führen, hat der Senat hier nicht zu befinden.
2. Zum Schuldspruch bemerkt der Senat:
Die Strafkammer hat auf der Grundlage der bisher getroffenen Fest-stellungen zutreffend neben den Verstößen gegen das Waffengesetz auch fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung bejaht. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte hätte voraussehen können, dass sein Sohn als Folge der unzulänglichen Sicherung von Waffen und Munition auf Menschen schießen wird, nicht notwendig davon abhängig sein muss, wie präzise die Kenntnis des Angeklagten über das Maß der psychischen Erkrankung seines Sohnes war. Schon diese unzulängliche Sicherung von Waffen und Munition unter Verstoß gegen die spezifischen waffenrechtlichen Aufbewahrungspflichten kann den Vorwurf der Fahrlässigkeit für Straftaten begründen, die vorhersehbare Folge einer ungesicherten Verwahrung sind. Für die Vorhersehbarkeit könnte hier zudem die – für sich gesehen bislang rechtsfehlerfrei getroffene – Feststellung sprechen, dass der Angeklagte entgegen dem Rat des Klinikums nicht für eine Weiterbehandlung seines Sohnes sorgte, dies selbst dann noch nicht, als sich dessen psychischer Zustand wieder deutlich verschlechterte.

Stattdessen ermöglichte der Angeklagte seinem, wie ihm jedenfalls bekannt war, psychisch sehr labilen Sohn, der seit Jahren in Computerspielen auf andere schoss, sich im Schützenverein im Umgang mit realen Schusswaffen zu üben.

So der BGH in seinem BESCHLUSS vom 22.3.1012 – 1 StR 359/11

Fest steht es in beiden Verfahren, dass die Täter jeweils labil und depressiv waren.

Ob im Germanwingsfall die Eltern oder die Freundin selbst hätten erkennen müssen, dass eine Gefahr für Dritte ausging bestand, begründete der BGH im Fall Winnenden, dass es darauf nicht einmal ankommt.

Allein die Tatsache, dass dem Täter die Tat ermöglicht wurde genügt für eine Verurteilung.

Es kommen also nicht nur die Familie und die Freundin als potientelle Mittäter in Frage, sondern es geraten auch Beteiligte in den Fochs, wie auch die Fliegerärzte, die behandelnden Ärzte, die Verantworlichen für die Einstellung als Piloten, die Überwachenden, die Verantwortlichen für ein Organisationverschulden, die Verantwortlichen der LBA, für den SIC Eintrags, die Krankenakten, für die Verriegelung für Sicherheitstür und den Öffnungssystemen, der „unzureichenden“ Technik in der Flugsicherheit in Frankreich ( Transponder S ), usw.

von K.Brodbeck