Urheberrecht des Architekten tritt hinter der Modernisierung des Stuttgarter Hauptbahnhofs zurück

Der Erbe und Enkel des Architekten Paul Bonatz, der den Stuttgarter Hauptbahnhof mitgeplant hat, ist mit seiner Klage auf Erhaltung des Bauwerks vorerst gescheitert. Das Stuttgarter Oberlandesgericht (OLG) hat den Interessen der Deutschen Bahn AG und einer weiteren Bahngesellschaft an der Modernisierung des im Jahr 1922 eröffneten Bahnhofs vor dem Interesse des Urhebers an der Erhaltung des Bauwerks den Vorrang eingeräumt. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Wiederaufbau des mittlerweile abgerissenen Nordflügels und auf Unterlassung des Abbruchs des Südflügels und der Treppe in der großen Schalterhalle hält das Gericht nicht für gegeben. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen kann der Kläger beim Bundesgerichtshof eine so genannte Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.

Das OLG erkennt zwar an, dass der Stuttgarter Bahnhof ein überragendes Werk der Baukunst ist. Dennoch aber gehe die Modernisierung vor. Denn nach dem von der Bahn geplanten Entwurf könne die geplante Änderung des Kopfbahnhofs in einen Durchgangsbahnhof nur mit einem Abriss der Seitenflügel und einer Veränderung der Treppenanlage in der großen Schalterhalle erreicht werden. Der Durchgangsbahnhof durchsteche die Seitenflügel und rage in deren Fundamente herein. Die neue Decke des Tiefbahnhofs könne die Flügel statisch nicht tragen. Schließlich könne die Treppenanlage nicht mehr als Zugang zu den Bahngleisen dienen. Der Abriss sei daher erforderlich, um den Durchgangsbahnhof wie geplant schaffen zu können, so das OLG.

Zudem entfalle auch der funktionale Zweck der Seitenflügel. Diese hätten zum einen den Zweck einer Abgrenzung des Südflügels zum Schlossgarten hin, während der Nordflügel als Anschluss zur Kopfseite der Kopfbahnsteighalle diene. Zum anderen hätten die Seitenflügel die Funktion einer Einfassung der Gleise des Kopfbahnhofs. Die Einfassungs- und Abgrenzungsfunktion entfalle durch den Wegfall des Kopfbahnhofs, erläutern die Richter. Die tiefer gelegten Gleise und der neue Tiefbahnhof müssten nicht mehr umfasst werden.

Hinzu kommt nach Ansicht des OLG, dass die Urheberinteressen angesichts der verbleibenden Schutzdauer von lediglich 16 Jahren erheblich an Gewicht verloren haben. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Bahn mit dem Umbau des Bahnhofs ihrer öffentlichen Pflicht genüge, der Allgemeinheit eine moderne Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen.

Der Ansicht des Klägers, es bestehe eine Pflicht zur Prüfung von weniger einschneidenden Planungsvarianten, erteilte das OLG eine Absage. Zwar müsse der Eigentümer eines urheberrechtlich geschützten Bauwerks bei Abänderungen grundsätzlich eine die urheberrechtlichen Interessen möglichst wenig berührende Lösung suchen. Wenn der Eigentümer sich aber für eine bestimmte Lösung entschieden habe, gehe es bei der Interessenabwägung nur noch darum, ob die geplanten konkreten Änderungen des Bauwerks zumutbar seien. Ob daneben noch andere, dem Urheber gegebenenfalls weniger beeinträchtigende Lösungen denkbar seien, sei hierfür nicht mehr von entscheidender Bedeutung.

Oberlandesgericht Stuttgart, 4 U 106/10


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