Schweigepflicht: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht

von Klaus Brodbeck
Es besteht offensichtlich eine große Unsicherheit in der Ärzteschaft, wann ein Arzt seine Schweigeplicht nicht brechen „darf“, wann er sie brechen „kann“, und wann er sie brechen „muß“!

Die ärztliche Schweigepflicht ist in § 9 Abs. 1 MBO-Ä und den entsprechenden Bestimmungen der Berufsordnungen der Landesärztekammern geregelt. Ärzte haben danach über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist – auch nach dem Tod des Patienten – zu schweigen. Die Schweigepflicht ergibt sich zudem als Nebenpflicht aus dem zwischen Arzt und Patient geschlossenen Behandlungsvertrag, der seit dem Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes in den §§ 630a ff. BGB geregelt ist.

Die in den Berufsordnungen der Landesärztekammern geregelte ärztliche Schweigepflicht betrifft allein Ärzte. Dem Straftatbestand des § 203 StGB unterliegen hingegen auch Angehörige anderer Heilberufe (z. B. Psychotherapeuten, Physiotherapeuten, Angehörige der Pflegeberufe).

Der Patient kann den Arzt schriftlich, mündlich und konkludent von der Schweigepflicht entbinden. Im Fall des A.Lubitz hatte A. Lubitz seine Fliegerärzte und seinen Psychiater von der Schweigepflicht schriftlich entbunden.
Fliegerärzte sind – wenn es um die Überprüfung der Tauglichkeit als Pilot geht – Sachverständige und in dieser Funktion unterliegen sie nicht der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber dem LBA (EASA Recht). Vergleichbar ist dies mit den Amtsärzten, die von den Ordnungsbehörden ( Polizei ) beauftragt werden, den tatsächlichen Blutalkoholwert zu ermitteln und diesen dann an die Ordnungsbehörden weiterzugeben.

Der Fliegerarzt, der alle vorgegebenen Untersuchungen bei dem Piloten vorgenommen hat und feststellt, dass die Tauglichkeit nicht gegeben ist, hat die Flugtauglichkeit zu verweigern und dies dem Luftfahrtbundesamt ( LBA ) mitzuteilen.
Die ärztliche Schweigepflicht besteht dann nicht wenn es um den Schutz höherwertiger Rechtsgüter geht!
Wenn ein höherwertiges Interesse den Bruch der Schweigepflicht rechtfertigt, kann nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Zugrundelegung der Vorschrift des § 34 StGB über den rechtfertigenden Notstand entschieden werden.
Ein solcher Notstand besteht immer schon dann, wenn es um eine Abwehr drohender Gefahren für Leib, Leben oder der Öffentlichkeit geht. Der Arzt ist dann berechtigt, die Behörde zu benachrichtigen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Patient als Maschinenführer am Verkehr ( z.B. Kapitän, Autofahrer, Pilot ) teilnimmt, obwohl er aufgrund seiner Erkrankung (Alkoholsucht, Drogen, Medikamente ) dabei sich und andere gefährdet. Vorausgesetzt ist, dass der Arzt vorher auf den Patienten ohne Erfolg eingewirkt hat, um ihn zur Ergreifung der notwendigen Maßnahmen von sich aus zu veranlassen (vgl. BGH NJW 1968, 2288).
Die Hausärztin des A. Lubitz hatte aufgrund seines Krankheitsbildes zweimal versucht, ihn in die psychiatrische Uniklinik Düsseldorf einzuweisen, jedoch ohne Erfolg. Sie hatte sich auch eine Zweitmeinung eines anderen Arztes eingeholt, der Ihre Diagnose bestätigte.A. Lubitz akzeptierte die Klinikeinweisungen nicht! Verweigert sich ein Patient sich behandeln zu lassen und besteht die Gefahr, dass der Patient weiter ein Schiff, ein Auto oder ein Flugzeug führen wird, so reduziert sich die Entscheidungskompetenz des Arztes auf NULL und muß die Behörde sofort informieren.
Die Hausärztin hatte A. Lubitz am 22.2.2015 aufgrund seiner Psychosen ( u.a. Angststörungen ) krankgeschrieben, jedoch lediglich bis zum 24.2.2015. Am 24.2.2015 diagnostizierte die Hausärztin auch Schlafstörungen beim Co-Piloten A. Lubitz, und obwohl sie wußte, dass A.Lubitz Pilot war erfolgte keine Verlängerung der Krankschreibung. Stattdessen verschrieb sie A.Lubitz das Schlafmittel Zopiclon. Dieses Medikament fand man bei der Section von A. Lubitz im toten Körper.
Die Hausärztin hatte mit dem Unterlassen der Zwangseinweisung, der Unterlassung der weiteren Krankschreibung, der Unterlassung der Mitteilung der psychiatrischen Erkrankung an das LBA und Ihrer Verschreibung des Zopiclon an A.Lubitz eine Waffe in die Hand gegeben, um 149 Menschen mit in den Tod zu reissen.

Tatsache ist, dass viele Ärzte nicht wissen, wann sie sich offenbaren müssen und sie sich strafbar ( Haftstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe ) machen, wenn sie versäumen, Informationen preiszugeben, um mit denen eine mögliche Straftat vereitelt hätte werden können. Unwissenheit schützt bekanntlich aber nicht vor Strafe!


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