Kernbrennstoffsteuer ist verfassungswidrig

Das Finanzgericht Hamburg hat mit 27 Beschlüssen den Eilrechtsanträgen von fünf Kernkraftwerksbetreibern stattgegeben und damit die Hauptzollämter vorläufig verpflichtet, insgesamt über 2,2 Milliarden Euro Kernbrennstoffsteuer zu erstatten.

1. Der 4. Senat des Finanzgerichts Hamburg hält das Kernbrennstoffsteuergesetz für verfassungswidrig. Die Kernbrennstoffsteuer besteuere nicht den Verbrauch von Kernbrennstoffen oder elektrischen Strom, sondern sei eine Steuer zur Abschöpfung der Gewinne der Kraftwerkbetreiber. Deshalb habe sich der Bund zu Unrecht auf seine Gesetzgebungskompetenz für Verbrauchsteuern berufen (im Anschluss an den Vorlagebeschluss des FG Hamburg an das BVerfG vom 29.1.2013, 4 K 270/11).

2. Die Unionsrechtmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes ist ernsthaft zweifelhaft. Das in der europäischen Energiesteuerrichtlinie verankerte Prinzip der Output-Besteuerung verbietet es, neben dem elektrischen Strom selbst auch noch die Energieerzeugnisse zu besteuern, die zu seiner Produktion eingesetzt werden. Es ist durchaus möglich, dass dieses Verbot auch die in der Richtlinie nicht ausdrücklich genannten Kernbrennstoffe erfasst (im Anschluss an das Vorabentscheidungsersuchen des FG Hamburg an den EuGH vom 19.11.2013, 4 K 122/13).

3. Um das Bestehen begründeter Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheids zu begründen, ist der Hinweis auf ein anhängiges Vorabentscheidungsersuchen zu den maßgeblichen Fragen an den EuGH hinreichend, dessen Ausgang nicht vorhersehbar ist.

4. Veränderte Umstände, die die Zulässigkeit eines Änderungsantrags nach § 69 Abs. 6, Satz 2 FGO begründen, liegen vor, wenn zu den entscheidungserheblichen Fragen zwischenzeitlich ein konkreter Normenkontrollantrag an das BVerfG oder ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet worden ist.

5. Für die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz wegen ernstlicher Zweifel, ob das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Gesetz unionsrechtmäßig ist, bedarf es über die in § 69 FGO ausdrücklich benannten Voraussetzungen hinaus keines besonderen Interesses des Antragstellers an der Gewährung von Aussetzung bzw. Aufhebung der
Vollziehung.

6. Das für die Gewährung von einstweiligen Rechtsschutzes wegen ernstlicher Zweifel, ob das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Gesetz verfassungsmäßig ist, von Teilen der Rechtsprechung verlangte besondere Aussetzungs- oder Aufhebungsinteresse ist dann gegeben, wenn das Gesetz dem BVerfG im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens zur Prüfung vorgelegt worden ist. Dies gilt auch für Vorlagebeschlüsse eines Finanzgerichts.

FG Hamburg 11.04.2014 – 4 V 154/13


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