Germanwingskatastrophe – Lufthansa Group wußte Bescheid

StA Vermerke und fehlende Beweissicherung – insbesondere Vorarbeiten zur strafrechtlichen Würdigung wegen Organisationsverschuldens
von Klaus Brodbeck

Als am 24.3.2015 der Germanwingsairbus in die französische Alpen zerschellte glaubte man an eine rasche Aufarbeitung des Falls.

Jetzt – 6 Monate – später warten die Angehörigen der ermordeten Opfer auf erste Ergebnisse. Faktisch wurde überhaupt nicht ermittelt bis auf verschiedene Arztberichte und zur Person A. Lubitz.

I. Germanwings / Lufthansa Group
Herr Spohr hat klare Statements abgegeben, dass die Lufthansa Group für die Folgen der Katastrophe haften würde. In ersten Interview-Statements hat Herr Spohr ausdrücklich betont die LH Group habe keine Kenntnis von der Erkrankung des Co-Piloten gehabt. Diese Aussage ist sachlich falsch, sofern man von LH Konzern-Kenntnis sprechen will. Sowohl der fliegerärztliche Dienst als auch die 100% Konzerntochter ATCA Airline Training Center Arizona wussten dezidiert über die Krankengeschichte des Herrn Lubitz Bescheid. Bei jeder erneuten jährlichen fliegerärztlichen Untersuchung war im Rahmen einer durchzuführenden Anamnese die Krankenakte von Lubitz beizuziehen. Jedoch wurde ebenso von LH klargestellt, dass niemand von der Lufthansa von einer möglichen erneuten, akuten Depression wusste und somit keine Voraussetzung für eine Strafverfolgung gegen die LH und den Verantwortlichen der LH gegeben ist. Dies dürfte jedoch von den Detailrecherchen in der Fliegerakte von Lubitz abhängen, die die StA beschlagnahmt hat.
 
Tatsache ist, dass eine Reihe der von Lubitz konsultierten Ärzte wie z.B. Herr Salomon, Herr Kersy und Herr Atzinger auch von einer erneuten akuten Depression ab Mitte  Dezember 2014 wussten oder hätten wissen können und es unterließen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, trotz z.T. sogar festgestellter Fluguntauglichkeit. Bei rezeptierten Antidepressiva und der vom Vertretungshausarzt erfolgten Krankschreibung ist zumindest sicher zu stellen, dass diese Krankschreibungen auch an den fliegerärtzlichen Dienst übermittelt werden.

Gleiches gilt für die Veranwortlichen der Uniklinik Düsseldorf und dem Psychiater Herrn Dirk Michael Schmitz.
 
Seit 2008 ist Lubitz an Tinnitus erkrankt und hat sich wiederholt behandeln lassen. Nach jetziger Aktenlage ist davon auszugehen, dass Tinnitus und Depression im Gleichklang den Lubitz psychosomatisch belasteten. Obwohl er sich in Behandlungen begab, hat keiner der Ärzte einen Test über die Höhe der Dezibel veranlasst. Entsprechende Feststellungen sind u.a. in der Uni Düsseldorf möglich. Es ist davon auszugehen, dass der vorhandene Tinnitus die absolute Fluguntauglichkeit indiziert hätte und damit eine weitere Medical prüfung bereits daran gescheitert wäre. Insoweit sind hier nach Vorliegen der Gesamtakte ebenfalls Unterlassungen im strafrechtlich Bereich zu prüfen.
 
 
Lubitz hatte seit 2008 Schlafstörungen und schlief regelmäßig nicht durch. Nachgewiesen sind diese im sog. „Glückstagebuch“.  Daneben wurden in seiner Düsseldorfer Wohnung erhebliche Menge von Antidepressiva und Stimmungsaufhellern gefunden, davon etliche leere Tablettenschachteln direkt am Bett bzw. unter dem Nachttisch. Mirtazapin und Lorezepan sowie Mirta TAD führen zur absoluten Fahr- und damit auch Fluguntauglichkeit , diese ergibt sich auch für Lubitz erkennbar aus den Beipackzetteln der genannten Medikamente. Lubitz wusste auch, dass jede Tabletteneinnahme zur unmittelbaren Gefährdung der erteilten Fluglizenz führen würde, da diese mit der SIC Einschränkung versehen war, die eindeutig auf die frühere psychiatrische Vorerkrankung des Lubitz hinwies. Also war für Lubitz und für die behandelnden Ärzte klar, dass A.L. Fahr-und Fluguntauglich war. Dies alles kann auch seiner Lebenspartnerin Frau Goldbach, die sich in 2016 verheiraten wollten, nicht verborgen geblieben sein. Tatsächlich ist davon auszugehen,  dass sie aus eigenem Interessen es unterließ, die bestehenden Krankheiten zu offenbaren und Lubitz zu hindern seinen Beruf auszuüben. Gleiches gilt für die Familie insbesondere für die Mutter des A.L., die den 2008 behandelnden Psychiater Dr. Salomon erneut per Mail um begutachtung und Behandlung Ihres Sohnes bat.
 
 
Die letzte Flugtauglichkeitsbegutachtung fand am 28.7.2014 statt durch Frau Dr. Huber vom Aero Medical Center der LH. Der Bericht der Begutachtung liegt nicht noch vor, ist jedoch mit der Fliegerärztlichen Akte bereits beschlagnahmt. Gemäß der in 2014 anzuwenden flugaufsichtsbehördlich anzuwendenden europäisch harmonisierten Bestimmungen für die Durchführung eines Medicals Class One, hätte die Fliegerärztin aufgrund des SIC Vermerkes ihre Anamnese ausweiten und die gesamte Krankenakte ziehen müssen. Anschließend wär eine hinreichende psychiatrische Begutachtung in Anwendung der entsprechenden EASA Vorschrift erforderlich gewesen und die Akte hätte zur finalen Entscheidung der lizenzerteilenden Behörde dem LBA vorgelegt werden müssen – so will es die Verordnung der europäischen Luftaufsicht. Jedoch muß die Begutachtung der LH bekannt sein. Ob und inwieweit hier die Fliegerärztin und das LBA fahrlässig oder sogar grob fahrlässig gehandelt haben, lässt sich erst mit der detaillierten Fliegerakte des L. beurteilen. Die derzeit bei den französischen Ermittlungsrichtern liegt. Wenn ein Organisationsverschulden vorliegen sollte, so stellt sich die Frage, inwieweit ein solches einer konkreten Person zuzuordnen ist ( Fliegerärztin/ Sachbearbeiter LBA). In beiden Fällen ist eine Strafbarkeit möglich, bzw. wahrscheinlich. In Frankreich reicht das Verschulden der Organisation aus.
 
 
 
II. Gerichtsstand
Derzeit liegt das Strafverfahren gegen mögliche Straftäter und LH bei den 3 Untersuchungsrichter in Marseille.
Offensichtlich gibt es wohl Erwägungen, in einem Gespräch mit der Düsseldorfer StA, der StA aus Spanien und den Untersuchungsrichtern die Zuständigkeiten zu klären.
 
Positiv für ein Verfahren in Frankreich:
–         die mögliche Verurteilung der LH/Germanwings.
–         der FAA
– des Fliegerärztlichen Dienstes der LH
– der Flugschule
 
Negativ für ein Verfahren in Frankreich:
–              verkrustete Strukturen in Frankreich und Zeitaufwand
–              Frankreich sieht sich selbst immer noch als die Grand Nation.

Daher werden keine Untersuchungen wie zB gegen Airbus Ind. wegen der Sicherheitsmechanik der Cockpit-Türe ermittelt oder aufgrund der Unterlassung der Aufrüstung der derzeit fehlenden Standards / Technik bei der Software der französischen Flugsicherung gegen den französischen Staat ermittelt.

Die tatsächlichen Kosten der Nebenkläger und deren Vertreter sind noch nicht greifbar. So fallen die Kosten des Vorverfahrens ( bis zur Eröffnung des Verfahrens ) den Nebenklägern zur Last. Die Anwaltsgebühren in der Hauptverhandlung werden vom Staat erstattet, jedoch ist die Höhe der Erstattung nicht berechenbar, und ein weiterer Kostenbetrag würde auf die Nebenkläger ein weiterer Kostenbetrag entfallen. Es gibt jedoch einen speziellen § in der französischen Strafprozeßordnung der die Kostentragungspflicht der Vorermittlungen regelt und der eine Kostenpflicht für die LH auslösen könnte. Dieses prüfen wir derzeit.
 
Positiv für Deutschland:

– Strafprozeßordnung und Kosten sind bekannt, das Ermittlungs- und Strafverfahren ist einfacher zu führen als in Frankreich
 
Negativ für Deutschland:
–  es besteht nach Übernahme des Verfahrens nach Düsseldorf die Gefahr, dass das Verfahren hier eingestellt wird, weil seitens der StA Düsseldorf kein hinreichender Anfangsverdacht gegeben ist. Dagegen kann man Klage einreichen.
– Unterlassungs- und Körperverletzungsdelikte werden in der Regel bei Ersttätern mit Bewährungsstrafen beendet. Dies gilt jedoch nicht bei nachgewiesenem schwerwiegendem Organisationsverschulden.
 
Spanien:
Spanien ist in fast allen Fällen die schlechteste Wahl. Dies liegt nicht nur an der oft fehlenden Kompetenz der Richter, sondern auch an den alten Strukturen, den horrenden Honoraren der Anwälte und den unverständlichen Entscheidungen. Zivilrechtlich kann jedoch Spanien eine interessante Alternative zu den USA sein.
 
 
 
III. Beweislage
Die Untersuchungsrichter in Frankreich haben es mit Feinheiten des deutschen Rechts zu tun und damit auch mit Schwierigkeiten die sich aus fehlerhaften Übersetzungsprotokollen ergeben.
 
Beweise betreffend eines oder mehreren Organisationsverschuldens wurden aktiv gegenüber LH nicht gesichert, obwohl dies insgesamt geboten war. Hier muss aus dem Nebenklageverfahren die Sachverhaltsaufklärung in dem gebotenen Maße angeschoben werden.
 
Erst nach 2 Tagen wurde ausgeschlossen, dass es sich nicht um einen Materialfehler handelte, sondern um einen ( möglichen ) Suizid. Jedenfalls zweifelt bis heute kein Ermittler daran, dass es kein Suizid war. Tatsächlich ist die Beweislage erdrückend.
 
Zum Sachverhalt gibt es aus hiesiger Sicht eine große Zahl von bis dato unbeantworteten Fragen, wobei hier auch zunächst die Auswertung der kompletten Akte mit mittlerweise 6.000 Blatt nach Übermittlung von den französischen Behörden abgewartet werden sollte.
 
Dabei kann der Sachverhalt im Cockpit ein anderer gewesen sein. Der Pilote verließ das Cockpit. Als der Pilot wieder zurück ins Cockpit wollte konnte er die Türe nicht öffnen, weil ihm der 6stellige Emergency Override Türcode nicht bekannt war oder er und die Crew in der Situation diesen Code vergessen hatte. Die Recorder geben lediglich wieder „Mach die Tür auf“. Ebenso wenig konnte man auf dem Recorder hören, dass der Code gedrückt , d.h. eingegeben wurde, die Cockpit Warnsummer angegangen sind etc. Es könnte daher auch ein technischer Defekt gewesen sein, dass der Türcode defekt war oder der Türcode geändert wurde und dieser nicht sauber kommuniziert wurde und damit ein nachhaltiges Verschulden bei der LH Group bestand.

Es bestehen nachhaltige Zweifel an der Kommunikation des Türcodes, entsprechende Ermittlungen hierzu sind noch gar nicht aufgenommen.

Inwieweit der Toilettendefekt der vorderen Toilette direkt hinter dem Cockpit– zumindest in der zeitlichen Abfolge eine unterstützende Rolle in der Kausalkette spielt, ist ebenfalls nicht geklärt.

Die toxikologischen Untersuchungen von Chefpilot und Co-Pilot stehen noch aus, zum einen zur Ermiitlung des übermässigen Harndrangs des Chefpiloten zum anderen die Frage nach akut von Lubitz genommenen Antidepressiva oder Tranquillizern.
Hier müssen ebenfalls im Nebenklageverfahren Ermittlungsansätze beantragt werden.
 
Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch die „ Mängelliste“ des Flugzeugs die sogenannte MEL Minimum Equipment List, in der vor jedem Flug abgeprüft wird, ob alle flugrelevanten Systeme funktionsfähig sind. Ein Duplikat einer solchen Überprüfung müsste bei den OPS Abteilungen der GWI in DUS oder BCN vorliegen. Es ist nicht klar ob diese bisher beschlagnahmt wurden.
Die Flugschülerakte des L. an der LH Flugschule in Arizona scheint ebenfalls noch nicht beschlagnahmt zu sein- hier ergeben sich kommunikative Erkenntnisse im Verhältnis zur amerikanischen Flugaufsicht und zur LH Group. 
Es ist daher offensichtlich, dass entsprechende Beweismittel beschafft werden müssen.
 
Wer wie L. ( bis auf seine psychosomatischen Störungen) glücklich und zufrieden war, wer heiraten wollte und auch Kinderwünsche hatte, bringt sich nicht so einfach um. Die Mittel gegen Depression wurden bereits im ab Dezember 2014 verabreicht. Nur in den ersten 3 Wochen besteht eine erhöhte Depressionsgefahr mit Suizidneigung. Danach ist sie gebannt! Ja er war depressiv, hatte einen störenden Tinnitus über mindestens 50 Dezibel, und litt unter Sehstörungen und Schlafstörungen, die augenscheinlich medikamentös verursacht wurden und als Nebenwirkungen einer lavrierten Depression im Rezidiv gelten.