Zwischenbericht der Germanwingskatastrophe 24.3.2015 – Andreas Lubitz

Erscheinungsdatum: Mai 2015

Zwischenbericht

Unfall am 24. März 2015
in Prads-Haute-Bléone
(Alpes-de-Haute-Provence, Frankreich)
mit einem Airbus A320-211,
Kennzeichen D-AIPX,
betrieben von Germanwings
Als Geste des Respekts wurde der Zwischenbericht über die Sicherheitsuntersuchung der BEA ins Deutsche übersetzt. So genau die Übersetzung auch sein mag, der Originaltext in Französischer Sprache ist das Referenzwerk.
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Vorwort
Die BEA ist die französische Behörde für zivile Luftfahrt-Sicherheitsuntersuchung. Das alleinige Ziel ihrer Untersuchungen ist die Verbesserung der Sicherheit in der Luftfahrt und dient nicht der Feststellung des Verschuldens, oder der Haftung.
Die Untersuchungen der BEA sind unabhängig, und eigenständig. Sie werden durchgeführt ohne Beeinflussung von jeglichen gesetzlichen oder administrativen Verfahren zur Ermittlung von Verschulden oder Haftung.
Dieses Dokument ist ein Zwischenbericht, der ohne Analyse erstellt wurde auf Basis der Anfangsinformationen, die im Verlauf der Untersuchung zusammengetragen wurden. Einige der dargestellten Punkte können sich im Laufe der Zeit ändern. Nichts in diesem Dokument oder in den dargestellten Punkten sollte als Hinweis für die Schlussfolgerungen der Untersuchung interpretiert werden.
BESONDERES VORWORT FÜR DIE DEUTSCHE EDITION
Als Geste des Respekts wurde der Zwischenbericht über die Sicherheitsuntersuchung der BEA ins Deutsche übersetzt. So genau die Übersetzung auch sein mag, der Originaltext in Französischer Sprache ist das Referenzwerk.
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INHALT
VORWORT …………………………………………………………………………………………………………… 2
INHALT …………………………………………………………………………………………………………… 3
GLOSSAR ……………………………… ……………………… …………………………………………. 5
ORGANISATION DER UNTERSUCHUNG ……………. ………………………………………………….. 7
1– SACHVERHALT ……………………………………………………………………………………………… 8
1.1 Ereignisse und Flugverlauf ………………………………………………………………………………………………. 8
1.2 Personenschaden ………………………………………………………………………………………………………….. 11
1.3 Schaden am Luftfahrzeug . …………………………………………………………………….. …. 12
1.4 Angaben zu Personen ……………………………………………………………………………………………………. . 12
1.4.1 Kapitän ………………………………………………………………………………………………………….. 12
1.4.2 Copilot ……………………………………………………………………………………………… 12
1.5 Angaben zum Luftfahrzeug ……………………………………………………………………………………………. 14
1.5.1 Flugzeugzelle ……………………………………………………………………………………………………….. .. 14
1.5.2 Triebwerke ………………………………………………………………………………………………………….. 14
1.5.3 Instandhaltung ………………………………………………………………………………………………………….. 14
1.5.4 Verschlusssystem der Cockpittür ………………………………………………………………………… 15
1.5.5 Kommunikation zwischen der Passagierkabine und dem Cockpit …………. ………………………… 19
1.5.6 OPEN DESCENT Mode …………………………………………………………………………………….. 19
1.6 Meteorologische Informationen ……………………………………………………………………….. .. 20
1.7 Funkverkehr ………………………………………………………………………………………………… ………. 20
1.8 Flugdatenaufzeichnung …………………………………………………………………………………………………. 21
1.8.1 Art des Equipments ………………………………………………………………………….. ……… 21
1.8.2 Ablauf des Ausbaus und der Analyse ………………………………………………………………………………………………………….. 21
1.8.3 Synchronisierung der Aufzeichnungen ………………………………………………………………………………………………………….. 23
1.8.4 Vorheriger Flug ………………………………………………………………………………………………………….. 23
1.8.5 Untersuchung des Quick Access Recorders (QAR) ……………………………………………………………. 24
1.9 Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug ……………………………………………………………. 24
1.10 Überlebensaspekte ……………………………………………………………………………………………………….. 26
1.11 Organisationen und deren Verfahren ……………………………………………………………………………. …………………………… 26
1.12 Zusätzliche Informationen ………………………………………………………………………………………………………….. 26
1.12.1 Zeugenaussagen ………………………………………………………………………………………………………….. 26
1.12.2 Frühere Ereignisse ………………………………………………………………………………………………………….. 26
1.12.3 EASA Service Information Bulletin ………………………………………………………………………………………………………….. 27
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2 – ERSTE SCHLUSSFOLGERUNGEN ………………………………………………………………………………… 28
3 – DIE LAUFENDE SICHERHEITSUNTERSUCHUNG ……………………………………………………………………… 29
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GLOSSAR
ACP
Audio Control Panel
ARCAS
Aircraft Communication Addressing and Reporting System
AME
Aero-Medical Examiner
ATC
Flugverkehrskontrolle
BFU
Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung
CIAIAC
Spanische Sicherheits-Untersuchungsstelle (Comisión de Investigación de Accidentes e Incidentes de Aviación Civil)
CVR
Cockpit Voice Recorder
DGAC
French general civil aviation directorate (Direction Générale de l’Aviation Civile) Französische Behörde für Zivilluftfahrt
EASA
Europäische Agentur für Flugsicherheit
FCU
Flight Control Unit
FDR
Flugdatenschreiber
GPWS
Ground Proximity Warning System
ICAO
Internationale zivile Luftfahrtorganisation
LBA
Luftfahrt-Bundesamt
MEL
Minimum Equipment List
PF
Pilot Flying (steuernder Pilot)
PFD
Primary Flight Display
PM
Pilot Monitoring
QAR
Quick Access Recorder
REV
Medical certificate issued after review procedure
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Kontrollierter Sinkflug mit Autopilot, Kollision mit Gelände
Luftfahrzeug
Airbus A320-211 Kennzeichen D-AIPX
Datum und Uhrzeit
24. März 2015 um 09:41 Uhr1
Luftfahrtunternehmen
Germanwings
Ortsangabe
Prads-Haute-Bléone (04)
Art des Fluges
Gewerblicher Luftverkehr
Anzahl der Personen an Bord
Kapitän (PM); Copilot (PF); 4 Kabinenbesatzung; 144 Fluggäste
Schaden und Konsequenzen
Die Besatzung und die Passagiere erlitten tödliche Verletzungen, das Flugzeug wurde zerstört.
1 Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet, entsprechen UTC. Eine Stunde muss addiert werden, um die legale Zeit der Metropolregion Frankreich am Unfalltag zu erhalten.
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ORGANISATION DER UNTERSUCHUNG
Am 24. März 2015 um ca. 10:15 Uhr informierte das Marseille en-route Kontrollzentrum die BEA über einen Unfall mit einem Airbus A320, Kennzeichen D-AIPX, der sich während des Überflugs der Französischen Alpen ereignet hatte. Gemäß der Verordnung (EU) Nr. 996/2010 des Europäischen Parlamentes und des Rates von 20. Oktober 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störungen in der Zivilluftfahrt eröffnete die BEA sofort eine Sicherheitsuntersuchung.
Am Nachmittag des 24. März reiste ein Team von sieben Untersuchern der BEA zur Unfallstelle. Am folgenden Tag hatten die Sicherheitsuntersucher in Absprache mit den verantwortlichen Behörden der juristischen Untersuchung, durch Hubschrauber-Transport, der von der Gendarmerie zur Verfügung gestellt wurde, Zugang zur Unfallstelle.
Am Nachmittag des 24. März 2015 wurde der CVR gefunden und am folgenden Tag zur BEA trans-portiert um ausgelesen zu werden. Nachdem die Daten ausgelesen waren, erschien es der BEA als wahrscheinlich, dass ein Akt des unrechtmäßigen Eingriffes an dem Unfall beteiligt war. Die Ver-ordnung (EU) Nr. 996/2010 und die Vereinbarung zwischen dem Französischen Justizminister und der BEA in Bezug auf Sicherheitsuntersuchungen vom 16. September 2014 legen fest, dass in sol-chen Situationen, die relevanten Informationen, die während einer Sicherheitsuntersuchung ge-sammelt werden, unverzüglich an die Justizbehörden weitergegeben werden müssen und die BEA entscheiden kann, ob sie die Untersuchung fortsetzt, wozu sie sich entschieden hat.
Die BEA hat die folgenden ausländischen Behörden über die Sicherheitsuntersuchung informiert, die dann ihrerseits akkreditierte Vertreter ernannt haben:
 Die BFU (Deutschland), da das Flugzeug in Deutschland registriert war und von einem deut-schen Luftfahrtunternehmen betrieben wurde. Dadurch wurde es möglich Unterstützung von technischen Beratern der Germanwings zu erhalten.
 Die CIAIAC (Spanien). Dadurch wurde es möglich Informationen über den Aufenthalt des Flugzeuges in Barcelona und Daten der Spanischen Flugsicherung zu erhalten.
Die BEA hat auch technische Berater der Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA), der DGAC, von Snecma (im Auftrag von CFM), und Airbus beteiligt.
Die Sicherheitsuntersuchung hat drei Arbeitsgruppen in den folgenden Bereichen: Luftfahrzeug, Flugzeugsysteme und Betrieb. Die bevollmächtigten Vertreter und die technischen Berater wurden auf die drei Arbeitsgruppen aufgeteilt.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichtes haben die Staaten Australien, Israel und Japan Experten benannt, die die Sicherheitsuntersuchung gemäß den internationalen Standards und empfohlen Praktiken im ICAO Annex 13 verfolgen, da einige Opfer aus diesen Ländern stammen.
Die Sicherheitsuntersuchung der BEA, deren alleiniges Ziel die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen ist, wird die Sammlung und Analyse von Daten, eine Angabe der Schlussfolgerungen, einschließlich der Ursachen und/oder beitragenden Faktoren und, falls erforderlich, Sicherheitsempfehlungen beinhalten.
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1– SACHVERHALT
1.1 Ereignisse und Flugverlauf
Bemerkung: Die folgenden Angaben basieren auf den Flugdatenschreibern und dem aufgezeichneten Funkverkehr. Die Hauptpunkte des Flugverlaufs sind im Bild 1, Seite 11, eingetragen.
Am Dienstag, 24. März 2015 befand sich der von Germanwings betriebene Airbus A320-211, Kenn-zeichen D-AIPX, auf dem Linienflug 4U9525 von Barcelona, Spanien, nach Düsseldorf, Deutsch-land. Das Rufzeichen war GWI18G. Sechs Besatzungsmitglieder (2 Flugbesatzungsmitglieder und 4 Kabinenbesatzungsmitglieder) und 144 Passagiere waren an Bord. Die gleiche Besatzung hatte den vorherigen Flug von Düsseldorf nach Barcelona absolviert. Das Flugzeug war um 06:01 Uhr in Düsseldorf gestartet und um 07:57 Uhr in Barcelona gelandet.
Der Start in Barcelona erfolgte um 09:00 Uhr von Startbahn 07R. Der Copilot war der Pilot Flying (PF); der steuernde Pilot.
Um 09:02:54 Uhr war der Autopilot Nr. 2 im CLIMB und NAV mode eingeschaltet worden; Au-tothrust ca. eine Minute später.
Um 09:12:15 Uhr während des Steigfluges ertönte der Türsummer für den Zugang zum Cockpit für eine Sekunde. Es wurden Geräusche vom Öffnen und dann Schließen der Cockpittür wurden auf-gezeichnet. In Verbindung damit war die Anwesenheit eines Flugbegleiters im Cockpit zu hören. Die drei Besatzungsmitglieder unterhielten sich über den Aufenthalt in Barcelona.
Um 09:15:53 Uhr wurden Geräusche vom Öffnen und dann Schließen der Cockpittür aufgezeichnet. Der Flugbegleiter hatte das Cockpit verlassen.
Im Anschluss folgten einige Diskussionen zwischen dem Copiloten und dem Kapitän mit Bezug auf die vor dem Start entstandene Verspätung. Es wurde diskutiert, wie diese entstanden war und do-kumentiert werden sollte.
Um 09:27:20 Uhr ging das Flugzeug in einer Flughöhe von 38 000 ft (FL380) in den Horizontalflug über (Punkt 1 in Bild 1). Die Flugbesatzung war auf der Frequenz 133,330 MHz in Kontakt mit dem en-route Kontrollzentrum in Marseille.
Um 09:29:40 Uhr wurde die Flugbesatzung an das Marseille Kontrollzentrum mit der Frequenz 127,180 MHz übergeben.
Um 09:30:00 Uhr (Punkt 2) bestätigte der Kapitän die Freigabe des Fluglotsen für den Direktflug zum Punkt IRMAR: « Direct IRMAR Merci Germanwings one eight Golf ». Das war der letzte Funk-spruch zwischen der Flugbesatzung und der Flugsicherung.
Um 09:30:08 Uhr sagte der Kapitän zum Copiloten, dass er das Cockpit verlassen würde und bat ihn den Sprechfunk zu übernehmen, was der Copilot bestätigte.
Um 09:30:11 Uhr wurde eine Änderung des Steuerkurses eingeleitet, die ca. eine Minute später bei ca. 23° endete, was einer Route zum Punkt IRMAR entspach.
Um 09:30:13 Uhr wurden Geräusche vom Bewegen eines Pilotensitzes aufgezeichnet.
Um 09:30:24 Uhr (Punkt 3) wurden Geräusche aufgezeichnet die durch das Öffnen und dann drei Sekunden später durch das Schließen der Cockpittür hervorgerufen wurden. Danach war der Kapi-tän nicht mehr im Cockpit.
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Um 09:30:53 Uhr (Punkt 4) veränderte sich die eingestellte Höhe am FCU innerhalb einer Sekunde von 38 000 ft auf 100 ft2. Eine Sekunde später befand sich der Autopilot in der Betriebsart OPEN DES3 und Autothrust in THR IDLE. Das Flugzeug begann zu sinken und die Drehzahlen beider Triebwerke verringerten sich.
Um 09:31:37 Uhr wurden Geräusche vom Bewegen eines Pilotensitzes aufgezeichnet.
Um 09:33:12 Uhr (Punkt 5) änderte sich der Autopilot in der Betriebsart Speed Mode von Managed Mode auf Selected4 Mode. Eine Sekunde später war die eingestellte Zielgeschwindigkeit 308 kt während die Geschwindigkeit des Flugzeuges 273 kt betrug. Die Geschwindigkeit und die Sinkrate des Flugzeuges begannen sich zu erhöhen. Die Sinkrate variierte nachfolgend zwischen 1 700 ft/min und 5 000 ft/min. Danach lag sie durchschnittlich bei 3 500 ft/min.
Um 09:33:35 Uhr reduzierte sich die eingestellte Geschwindigkeit auf 288 kt. Danach wurde die Zielgeschwindigkeit innerhalb von 13 Sekunden sechs Mal verändert, bis sie 302 kt erreicht hatte.
Um 09:33:47 Uhr (Punkt 6) fragte der Fluglotse die Flugbesatzung nach der freigegebenen Flughö-he. Das Flugzeug war zu dem Zeitpunkt in einer Flughöhe von 30 000 ft und befand sich im Sink-flug. Eine Antwort des Copiloten erfolgte nicht. Innerhalb der nächsten 30 Sekunden versuchte der Lotse noch zweimal die Flugbesatzung anzusprechen, erhielt jedoch keine Antwort.
Um 09:34:23 Uhr erhöhte sich die eingestellte Geschwindigkeit bis auf 323 kt. Die Geschwindigkeit des Flugzeuges betrug zu diesem Zeitpunkt 301 kt und begann auf das eingestellte Geschwindig-keitsziel zu steigen.
Um 09:34:31 Uhr (Punkt 7) ertönte der Türsummer für den Zugang zum Cockpit für eine Sekunde.
Um 09:34:38 Uhr versuchte der Fluglotse wieder den Kontakt mit der Flugbesatzung aufzunehmen, erhielt aber keine Antwort.
Um 09:34:47 Uhr und um 09:35:01 Uhr versuchte das Marseille Kontrollzentrum auf der Frequenz 133,330 MHz Kontakt mit der Flugbesatzung aufzunehmen, erhielt aber keine Antwort. Das Flug-zeug war zu diesem Zeitpunkt in eine Flughöhe von 25 100 ft und befand sich im Sinkflug.
Um 09:35:03 Uhr (Punkt 8) erhöhte sich die eingestellte Geschwindigkeit wieder auf 350 kt5.
Danach und bis zum Ende der Aufzeichnung:
 Die eingestellte Geschwindigkeit blieb auf 350 kt und die Geschwindigkeit des Flugzeuges stabilisierte sich bei 345 kt.
 Autopilot und Autothrust blieben eingeschaltet.
 Zwischen 09:35:04 Uhr und 09:39:27 Uhr wurde viermal das Cockpit-Signal des Intercom-Telefons der Kabine, auch bekannt als Kabinenanruf, für ca. drei Sekunden aufgezeichnet.
 Zwischen 09:35:32 Uhr (Punkt 9) und 09:39:02 Uhr wurden sechs Mal Geräusche, ähnlich dem Klopfen einer Person an die Cockpittür, aufgezeichnet.
 Zwischen 09:37:11 Uhr und 09:40:48 Uhr waren mehrfach dumpfe Stimmen zu hören; und
2 Das ist der Minimumwert, der beim A320 eingestellt werden kann.
3 Dieser Modus wird im Abschnitt 1.5.6 beschrieben.
4 Wenn die Geschwindigkeit als « eingestellt » bezeichnet wird, wird die Zielgeschwindigkeit durch die Flugbesatzung gewählt. Wenn die Geschwindigkeit als « managed » bezeichnet wird, dann legt das Flight Management System (FMS) automatisch die Zielgeschwindigkeit fest.
5 Dieser Wert stellt die Höchstgeschwindigkeit dar, die die Besatzung einstellen kann. Er entspricht dem VMO ( maximale Betriebsgeschwindigkeit).
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um 09:37:13 Uhr bat eine dumpfe Stimme darum, dass die Tür geöffnet wird.
 Zwischen 09:35:07 Uhr und 09:37:54 Uhr versuchte das Marseille Kontrollzentrum auf der Frequenz 121,5 MHz dreimal und auf der Frequenz 127,180 MHz zweimal Kontakt mit der Flugbesatzung aufzunehmen, erhielt aber keine Antwort.
 Zwischen 09:38:38 Uhr (Punkt 10) und 09:39:23 Uhr versuchte die Französische Luftvertei-digung auf der Frequenz 121,5 MHz dreimal Kontakt mit der Flugbesatzung aufzunehmen, erhielt aber keine Antwort.
 Zwischen 09:39:30 Uhr (Punkt 11) und 09:40:28 Uhr wurden fünfmal Geräusche ähnlich dem starken Schlagen gegen die Cockpittür aufgezeichnet.
 Zwischen 09:39:33 Uhr und 09:40:07 6Uhr wurden Sidestick-Eingaben mit geringer Amplitu-de auf der Copiloten Seite aufgezeichnet.
 Um 09:39:54 Uhr versuchte eine andere Flugbesatzung die GWI18G Flugbesatzung zu kon-taktieren, erhielt aber keine Antwort.
Um 09:40:41 Uhr (Punkt 12) wurde das akustische Warnsignal des GPWS « Terrain, Terrain, Pull Up, Pull Up » ausgelöst und blieb für den Rest des Fluges aktiv.
Um 09:40:56 Uhr wurde eine Master Caution Warnung aufgezeichnet; dann um 09:41:00 Uhr wurde eine Master Warning ausgelöst und blieb für den Rest des Fluges aktiv.
Um 09:41:06 Uhr stoppte die Aufzeichnung des CVR mit dem Aufschlag im Gelände.
6 Der maximale Ausschlag dieser Bewegungen blieb niedriger als notwendig gewesen wäre den Autopiloten auszuschal-ten, daher blieb er eingeschaltet. Diese Handlungen hatten also keinen Einfluss auf den Flugweg des Flugzeuges.
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Bild 1 – Flugbahn des Unfallfluges
1.2 Personenschaden
Verletzungen
Tödlich
Schwer
Gering/Keine
Besatzungsmitglieder
6


Fluggäste
144


Andere



12
1.3 Schaden am Luftfahrzeug
Das Flugzeug wurde zerstört.
1.4 Angaben zu Personen
1.4.1 Kapitän
Männlich, 34 Jahre alt, Deutscher Staatsbürger
 Verkehrspilotenlizenz ATPL(A) ausgestellt am 28. Januar 2014.
 Musterberechtigung für A320 erneuert am 9. Juli 2014.
 Die medizinische Tauglichkeitsuntersuchung für Klasse 1 fand am 31. Oktober 2014 statt. Das Tauglichkeitszeugnis war bis 12. Dezember 2015 gültig.
 Erfahrung:
o Gesamt: 6.763 Flugstunden
o Auf dem Muster: 3 811 Flugstunden, davon 259 Stunden als Kapitän
o In den vergangenen drei Monaten: 108 Stunden
o Im vergangenen Monat: 18 Stunden
o In den letzten 24 Stunden: 7 Stunden
 Fliegerische Laufbahn:
o Zwischen März 2001 und Juni 2003 war er Schüler der Pilotenschule Lufthansa Flight Training in Bremen (Deutschland) und des Airline Training Center in Phoenix (Arizona, USA) um die Verkehrspilotenlizenz zu erwerben.
o Im März 2005 bekam er die Musterberechtigung für die A320.
o Zwischen Juni 2005 und Januar 2010 arbeitete er als Copilot für die Fluglinie Condor Berlin auf Airbus A320.
o Im April 2010 erwarb er die Musterberechtigung für den A340 und die Musterberechtigung für den A330 im Februar 2011.
o Zwischen April 2010 und Mai 2014 arbeitete er als Copilot für die Lufthansa auf Airbus A330/340.
o Am 6. Mai 2014 begann er bei Germanwings als Kapitän auf A320.
Nachdem er bei Germanwings angefangen hatte, nahm er als Kapitän zwischen Mai und September 2014 am Umschulungskurs des Luftfahrtunternehmens teil. Während seiner Ausbildung und den wiederkehrenden Checks wurde sein professionelles Niveau von seinen Instruktoren und Prüfern als überdurchschnittlich bewertet. Den Line Check bestand er am 20. September 2014.
Seinen letzten Operator Proficiency Check (OPC)(Befähigungsüberprüfung) wurde am 14. Januar 2015 durchgeführt.
Sein Dienstplan zeigt, dass er zwischen dem 14. und 22. März 2015 nicht geflogen ist. Am 23. März 2015, dem Tag vor dem Unfall, flog er zwei Umläufe von Düsseldorf nach London Heathrow: Um 06:09 Uhr startete er von Düsseldorf für den ersten Umlauf und landete in Düsseldorf um 14:04 Uhr nach dem zweiten Umlauf. Am Tag des Unfalls startete er um 06:01 Uhr in Düsseldorf und landete um 07:57 Uhr in Barcelona.
1.4.2 Copilot
Männlich, 27 Jahre alt, Deutscher Staatsbürger
 Privatpilotenlizenz PPL(A) ausgestellt am 1. März 2011
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 Multiple-crew Pilot’s Licence MPL(A) ausgestellt am 11. Februar 2014
 Musterberechtigung für A320 erneuert am Dienstag, 28. Oktober 2014
 Erfahrung:
o Gesamt: 919 Flugstunden
o Auf dem Muster: 540 Flugstunden
o In den vergangenen drei Monaten: 107 Stunden
o Im vergangenen Monat: 30 Stunden
o In den letzten 24 Stunden: 3 Stunden
 Fliegerische Laufbahn:
o Zwischen Januar und April 2008 nahm er am Auswahlverfahren für den Grundkurs für Piloten bei Lufthansa teil.
o Am 1. September 2008 begann er mit dem Grundkurs an der Pilotenschule Lufthansa Flight Training in Bremen, Deutschland.
o Am 5. November 2008 unterbrach er die Ausbildung aus medizinischen Gründen
o Am 26. August 2009 machte er mit der Ausbildung weiter.
o Am 13. Oktober 2010 bestand er die schriftliche Prüfung für die ATPL.
o Vom 8. November 2010 bis 2. März 2011 setzte er seine Ausbildung beim Airline Training Center in Phoenix (Arizona, USA) fort.
o Vom 15. Juni 2011 bis 31. Dezember 2013 hatte er einen Vertrag mit Lufthansa als Flugbegleiter während er seine Ausbildung als Verkehrspilot fortsetzte.
o Am 2. September 2013 trat er eine Stelle bei Germanwings an.
o vom 27. September bis 23. Dezember 2013 machte und bestand er die Musterberechtigung für die A320 bei Lufthansa in München, Deutschland.
o Vom 27. Januar 2014 bis 21. Juni 2014 absolvierte er den Umschulungskurs des Luftfahrtunternehmens einschließlich des Linienfluges unter Aufsicht bei Germanwings.
o Am 26. Juni 2014 bestand er die Befähigungsüberprüfung und wurde zum Copiloten ernannt.
o Am 28. Oktober 2014 bestand er den operator proficiency check.
Während seiner Ausbildung und den wiederkehrenden Checks wurde sein professionelles Niveau von seinen Instruktoren und Prüfern als überdurchschnittlich bewertet.
Am 9. April 2008 erhielt er ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 ohne Einschränkungen, gültig bis zum 9. April 2009, ausgestellt vom Lufthansa Aeromedical Center.
Am 9. April 2009 wurde sein Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 aufgrund von Depression und entsprechender Medikamentengabe zur Behandlung vom Lufthansa Aeromedical Center nicht verlängert.
Am 14. Juli 2009 wurde ein Antrag auf Ausstellung eines medizinischen Tauglichkeitszeugnisses der Klasse 1 gestellt, dem vom Lufthansa Medical Center nicht stattgegeben wurde. Das Lufthansa Aeromedical Center informierte das LBA über den Sachstand.
Am 28. Juli 2009 erhielt er eine neues Tauglichkeitszeugnis Klasse 1, gültig bis 9. April 2010 mit dem Vermerk « Note the special conditions/restrictions of the waiver FRA 091/09 – REV-». Seine Pilotenlizenz beinhaltete dann die Einschränkung « ***SIC**incl. PPL*** », was « Specific medical examinations – contact the licence issuing authority» bedeutet. Diese Einschränkung bedeutet, dass der Fliegerarzt die Behörde kontaktieren muss, die die Lizenz ausstellt, bevor er die medizinische Beurteilung durchführt, die eine Verlängerung oder Erneuerung des Tauglichkeitszeugnisses beinhaltet. Es könnte sein, dass es die medizinische Vorgeschichte betrifft, warum der Fliegerarzt vor einer Beurteilung informiert werden muss.
Von Juli 2009 an erhielt er jedes Jahr ein Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 gültig für ein Jahr mit dem Vermerk « Note the special conditions/restrictions of the waiver FRA 091/09 – REV-».
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Sein letztes medizinisches Tauglichkeitszeugnis Klasse 1, ausgestellt am 28. Juli 2014, war bis zum 14. August 2015 gültig.
Sein Dienstplan zeigt, dass er zwischen dem 13. und 22. März 2015 nicht geflogen ist. Am 23. März 2015, am Tag vor dem Unfall, war er ab 03:00 Uhr als Reserve eingeteilt und machte zwischen 04:57 Uhr und 05:56 Uhr einen Überführungsflug von Düsseldorf nach Berlin Tegel. Gegen 08:20 Uhr kam er als Passagier nach Düsseldorf zurück. Am Tag des Unfalls startete er um 06:01 Uhr in Düsseldorf und landete um 07:57 Uhr in Barcelona.
1.5 Angaben zum Luftfahrzeug
1.5.1 Flugzeugzelle
Hersteller
Airbus
Flugzeugmuster
A320-211
Seriennummer
147
Kennzeichen
D-AIPX
Indienststellung
5. Februar 1991
Airworthiness Certificate
Nr. 16332 vom 13. Januar 2014 ausgestellt vom LBA
Airworthiness Review Certificate
T512ARC4034/2014 vom 23. März 2015 gültig bis 11. März 2016
Betriebsdauer seit der letzten Inspektion (72 Stunden Inspektion am 23. März 2015)
6 Stunden und 3 cycles
Betriebsdauer bis zum 24. März 2015
58 313 Stunden und 46 748 cycles
1.5.2 Triebwerke
Hersteller CFM
Muster: CFM56-5A1
Triebwerk Nr. 1
Triebwerk Nr. 2
Seriennummer
731923
731482
Datum des Einbaus
30. Juni 2012
12. April 2011
Gesamtbetriebsstunden
42 466 Stunden und 31 836 cycles
50 720 Stunden und 41 961 cycles
Betriebsstunden seit der letzten Inspektion
6 031 Stunden und 4 528 cycles seit dem 2. April 2012
9 258 Stunden und 6.963 cycles seit dem 5. April 2011
1.5.3 Instandhaltung
Der Airbus gehörte vom Tag der Inbetriebnahme bis Januar 2014 zur Lufthansa Flotte danach zur Germanwings Flotte.
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Das Luftfahrzeug wurde von Germanwings und Lufthansa Technik gemäß des Germanwings War-tungsprogramms, welches vom LBA genehmigt wurde, instandgehalten. Die Instandhaltungsprü-fungen waren auf dem neuesten Stand.
Am 23. März 2015 wurde das Luftfahrzeug zum letzten Mal am Flughafen Düsseldorf gewartet (line maintenance). Während der Wartung wurden die Ölstände geprüft und die Räder und das Fahrwerk augenscheinlich inspiziert.
Während des Unfallfluges funktionierte ein Teil der Ausrüstung nicht. Das Flugzeug konnte mit eini-gen akzeptablen deferred defects (zurückgestellten Beanstandungen) immer noch fliegen:
– Das „Cabin ready light“ war seit dem 6. März 2015 nicht vorhanden. Dieses war nach den Vorgaben der MEL möglich.
– Seit dem 18. März 2015 funktionierte die Beleuchtung des Logos an der rechten Seite des Flugzeuges nicht mehr. Dieses war nach den Vorgaben der MEL möglich.
– Am 23. März 2015 wurde Spiel im Bereich der Fasteners der linken Tür des Bugfahrwerks gefunden.
– Seit dem 24. März 2015 funktionierte die Zündung B für das Starten des rechten Triebwerks nicht mehr. Dieses war nach den Vorgaben der MEL möglich.
Am 24. März 2015 vor dem Unfallflug während des Aufenthaltes in Barcelona, kontaktierte der Kapi-tän die Germanwings Technik in Köln wegen eines Problems mit der Spülung der vorderen Toilet-ten7. Die Kontaktperson am Telefon riet den Sicherungsautomat des Systems, der sich im Heck des Flugzeuges befand, zurückzusetzen. Da noch nicht alle Passagiere das Flugzeug verlassen hatten, sagte der Kapitän er würde den Vorschlag so bald als möglich umsetzen und noch einmal anrufen sollte das Problem weiter bestehen. Es wurden keine weiteren Anrufe aufgezeichnet.
Für April 2015 war ein D Check geplant.
1.5.4 Verschlusssystem der Cockpittür
Anmerkung: Die folgenden Beschreibungen gelten nur für D-AIPX und basieren auf Informationen, die Airbus und Germanwings bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Berichts zur Verfügung gestellt haben.
Eine Tür trennt Cockpit und Passagierkabine. Der Kern besteht aus einem Verbundwerkstoff mit Sandwich Struktur bestehend aus Prepreg Platten die eine Wabenstruktur abdecken. Die äußeren Prepreg Platten sind so konstruiert, dass sie Kugelsicherheit sicherstellen. Im unteren Bereich ist eine Notausstiegslucke vorgestanzt. Diese kann nur vom Cockpit aus benutzt werden. Sie wird im Notfall benutzt, sollte die Tür festgeklemmt sein. Im Gegensatz zur Cockpittür, die ins Cockpit hinein öffnet, kann die Notausstiegslucke nur in die andere Richtung geöffnet werden.
Drei elektronisch gesteuerte Schlösser verriegeln die Tür sobald sie geschlossen wird. Mit einem drehbaren Griffsystem an der Tür kann sie aus dem Cockpit mechanisch entriegelt werden.
7 Während des Fluges von Düsseldorf nach Barcelona hatte die Besatzung die Instandhaltungsorganisation schon mithilfe einer ACARS Nachricht informiert.
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Bild 2 – Cockpit Zutrittstür
Das Cockpittür-Verriegelungssystem (Cockpit Door Locking System, CDLS) steuert elektronisch das Ver- und Entriegeln der Tür.
Die Hauptkomponenten sind:
 Eine Tastatur mit 12 Tasten (Nummern 0 bis 9, „*“ und „#“) die an der Seitenwand der Pas-sagierkabine neben dem Forward Attendant Panel (FAP), dem Kontrollmonitor, der von den Flugbegleitern benutzt wird, angebracht ist. Die Tastatur hat auch zwei LED Anzeigen (grün und rot).
 Einen Drei-Stellungs-Schalter der in der Mittelkonsole im Cockpit (Bilder 3 und 5) ange-bracht ist. Eine Rückholfeder hält den Schalter in der NORM Position. Manuelle Eingabe ist erforderlich um die UNLOCK oder LOCK Position zu wählen. Neben dem Schalter befindet sich eine Anzeige OPEN und FAULT.
 Ein Kontrollgerät (CKPT DOOR CONT) im oberen Panel des Cockpits. Zwei Drucksensoren sind in die Anzeige eingebaut, die den Druck im Cockpit messen und jegliche plötzliche Ver-änderung überwachen. Dieses hat ebenfalls LED Anzeigen, die Fehlfunktionen, die die drei Türschlösser oder das Computer System betreffen, anzeigen würden.
 Ein Summer, der im oberen Panel des Cockpits installiert ist und ein akustisches Signal sendet.
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Bild 3 – Verschlusssystem der Cockpittür
Im Cockpit befinden sich vor den Sidesticks zwei Touchscreens. Auf diesen Monitoren sind die Bilder der drei Kameras8 zu sehen:
 Die Zutrittstür zum Cockpit.
 Die linke Haupttür des Flugzeuges.
 Die rechte Haupttür des Flugzeuges.
Bild 4 – Überwachungskamera und Bildschirm
Die Parameter für das Verriegeln der Cockpittür kann jede Fluglinie für jedes Flugzeug selbst be-stimmen.
Um von der Passagierkabine aus Zutritt zum Cockpit zu erbitten, muss der normale einstellige Zu-trittscode gefolgt von „#“ an der Tastatur eingeben werden. Ein akustisches Signal von einer
8 Jedes Besatzungsmitglied kann die Kamera auswählen deren Bilder auf dem Monitor zu sehen sein soll.
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Sekunde ertönt vom Summer, um die Besatzung darüber zu informieren, dass jemand Zutritt zum Cockpit erhalten möchte. Die Piloten können dann auf ihre Monitore blicken.
Die Flugbesatzung bewegt dann den Drei-Stellungs-Schalter:
Bild 5 – Türüberwachungs-Schalter
 Wenn der Schalter in die UNLOCK Position gestellt und gehalten wird, entriegelt sich die Tür. Das akustische Signal hört auf. Die grüne LED Anzeige an der Tastatur leuchtet dauer-haft und zeigt an, dass die Tür entriegelt ist. Die Tür muss dann durch Drücken geöffnet werden. Ein Magnet im Cockpit hält die Tür in der entriegelten Position.
 Wenn die Besatzung die LOCK Position einstellt, bleibt die Tür verriegelt. Das akustische Signal hört auf. Die rote LED Anzeige an der Tastatur leuchtet dauerhaft und zeigt an, dass die Tür absichtlich verriegelt ist. Jegliche Betätigung der Tastatur ist für fünf Minuten unter-drückt (bis die rote LED Anzeige ausgeht)9. Die Besatzung im Cockpit kann diese Verriege-lung jederzeit abbrechen, indem sie den Schalter in die UNLOCK Position bewegt. Die Tür entriegelt dann sofort.
 Wenn am Schalter keine Eingabe erfolgt, bleibt die Tür verriegelt. Keine der LED Anzeigen an der Tastatur leuchtet. Das akustische Signal hört nach einer Sekunde auf.
Im Falle eines Notfalls (z.B. Verdacht auf Crew-Incapacitation) kann ein drei-stelliger Code gefolgt von „#“ an der digitalen Tastatur eingegeben werden. Das akustische Signal im Cockpit ertönt dann dauerhaft für 15 Sekunden und die grüne LED Anzeige an der Tastatur fängt an zu blinken.
Wenn die Besatzung innerhalb dieser 15 Sekunden nicht reagiert, wird die Tür für fünf Sekunden entriegelt. Die grüne LED Anzeige leuchtet dauerhaft um anzuzeigen, dass die Tür entriegelt ist und das akustische Signal hört auf. Die Tür muss dann nur durch Drücken geöffnet werden. Nach die-sen fünf Sekunden verriegelt sich die Tür wieder.
Wenn die Besatzung innerhalb der 15 Sekunden den Schalter bewegt, hört das akustische Signal auf und die Tür reagiert in Bezug zu dem Kommando (UNLOCK/LOCK).
Hinweis 1: Das Bewegen des Schalters hängt nicht zwingend mit einer Bitte um Zutritt zum Cockpit zusammen. Die Be-satzung kann zu jedem Zeitpunkt die LOCK oder UNLOCK Position wählen. Die LOCK Position übersteuert und setzt jede vorangegangene Auswahl zurück.
Hinweis 2: Im Falle eines Stromausfalls innerhalb des Systems wird die Tür entriegelt bleibt aber geschlossen.
Wenn die Tür offen ist, leuchtet die OPEN Anzeige dauerhaft. Wenn ein Notverfahren eingeleitet wurde (drei-stelliger Code gefolgt von „#“) beginnt die OPEN LED Anzeige zu blinken.
9 Jede neue Wahl der LOCK Position löst ein weiteres fünf minütiges Deaktivierungsfenster aus.
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1.5.5 Kommunikation zwischen der Passagierkabine und dem Cockpit
In der Passagierkabine ist ein Kommunikationssystem (Intercom) installiert, damit Flugbesatzung und Kabinenbesatzung während des Fluges miteinander kommunizieren können.
Jedes Besatzungsmitglied kann wählen welchen Intercom er kontaktieren möchte. Um mit dem Cockpit kommunizieren zu können, muss die Taste „CAPT“ gewählt werden (Bild 6).
Wenn die Taste „CAPT“ gewählt wird:
– Die ATT LED Anzeige an den drei Audio Control Panels (ACP) im Cockpit blinkt.
– Ein akustisches Signal, der „cabin call“, der drei Sekunden lang dauert, ertönt im Cockpit (während der Start- und Landephasen ist es blockiert).
– Die Anzeige „CAPTAIN“ wird am Attendant Indication Panel (AIP) angezeigt, wenn die Taste „CAPT“ gewählt wurde.
Bild 6 – Wechselsprechanlage und Kommunikationssystem
1.5.6 OPEN DESCENT Mode
Der Autopilot im Airbus A320 ist ausgestattet mit einem Sinkflug Modus, der „OPEN DESCENT“ genannt wird. Dieser Modus steuert die vertikale Komponente des Flugweges. Wenn dieser Modus aktiviert ist, steuert er die Längsneigung des Flugzeugs um eine bestimmte Zielgeschwindigkeit zu erreichen und zu halten, wobei Autothrust, sofern eingeschaltet, die Triebwerke in den Leerlauf regelt.
Die Zielgeschwindigkeit wird als „managed“ bezeichnet wenn sie durch das FMS berechnet wurde oder sie wird als „selected“ bezeichnet wenn sie durch die Flugbesatzung mit dem Speed-Selector-Knopf am FCU control panel (Bild 7) manuell vorgewählt wurde.
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Bild 7 – FCU Control Panel
Um diesen Modus einzuschalten, muss der Pilot eine Höhe einstellen, die niedriger ist als die aktuelle und am Altitude-Selector-Knopf ziehen. Während des Sinkfluges war die Modusanzeige auf dem Flight Mode Annunciater (FMA) auf dem PFD ähnlich wie im Bild unten:
Bild 8 – FMA im OP DES Modus
1.6 Meteorologische Informationen
Die Informationen, die Météo France zur Verfügung gestellt hat, zeigen, dass in Flugfläche 380 das Flugzeug im wolkenlosen Himmel über einzelnen Cirruswolken flog, deren höchste Punkte bei 32 000 ft lagen. Der Wind kam aus Südwesten mit ca. 40 kt.
An der Unfallstelle wurden einige Altokumulus Wolken über dem hohen Gelände beobachtet, die örtlich die höchsten nach Süden gerichteten Gipfel bedeckten konnten. Es gab keine Konvektion und der Südostwind war schwach. Die Sicht betrug mehr als 10 km. In Höhen über 2 000 m lag Schnee auf den nach Süden gerichteten Hängen und über 1 700 m auf den nach Norden gerichte-ten Hängen.
Während des Sinkfluges flog das Flugzeug durch eine dünne Schicht von einzelnen Cirruswolken und dann von einigen Altokumulus Wolken, deren Basis in einer Höhe über 15 000 ft lag. Der restli-che Sinkflug wurde unter Sichtflugbedingungen mit Sichtweiten über 10 km und ohne Wolken durchgeführt.
1.7 Funkverkehr
Während des Steigfluges zur Reiseflughöhe stand die Flugbesatzung mit dem en-route Kontrollzentrum Barcelona in Kontakt. Sie haben danach F1 Sektor (West Region) im Marseille en-route Kontrollzentrum auf der Frequenz 133,330 MHz kontaktiert und setzten den Steigflug auf Flugfläche 380 fort. Nachdem sie zum Sector B3 (Ost Region) auf Frequenz 127,180 MHz transferiert worden waren, las die Flugbesatzung die Freigabe des Fluglotsen zurück mit den
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Worten « Direct IRMAR Merci Germanwings one eight Golf ». Bis zum Ende des Fluges wurde die Flugsicherung nicht wieder kontaktiert.
Das Marseille Kontrollzentrum hat mehrfach auf verschiedenen Frequenzen versucht Kontakt mit dem Flugzeug herzustellen, hatte aber keinen Erfolg: 127,180 MHz (Frequenz sector B3 zusammen mit 132,490 MHz und 132,385 MHz), die 121,500 MHz (Notfallfrequenz) und sie haben ein anderes Luftfahrzeug gebeten eine Nachricht auf den Frequenzen 127,180 MHz und 121,500 MHz per Funk weiterzugeben.
Um 09:40 Uhr wurde die DETRESFA Notfallphase ausgelöst, da kein Funkkontakt und kein Radarkontakt mehr bestanden
1.8 Flugdatenaufzeichnung
1.8.1 Art des Equipments
Gemäß den derzeit anwendbaren Gesetzen war das Flugzeug mit zwei Flugdatenrekordern ausge-stattet.
 FDR
o Hersteller: Loral
o Modell: F1000
o Typen-Nummer: S800-3000-00 (Germanwings Quelle: Typenschild fehlt auf dem Rekor-der)
o Seriennummer: 246 (Germanwings Quelle: Typenschild fehlt auf dem Rekorder)
Dieser FDR ist ein Datenrekorder mit einer Speicherkarte die eine Aufzeichnungskapazität von min-destens 25 Stunden hat. Das Decoding Document, das für dieses Flugzeug zur Verfügung gestellt wurde, beinhaltet Informationen für ca. 600 Parameter.
 CVR
o Hersteller: L3COM
o Modell: FA2100
o Typen-Nummer: 2100-1020-02
o Seriennummer: 00235
Dieser Rekorder ist mit einer Speicherkarte ausgestattet und hat eine Aufzeichnungskapazität von mindestens 2 Stunden Standardqualität und von 30 Minuten hohe Qualität.
1.8.2 Ablauf des Ausbaus und der Analyse
Ausbau des CVR und Analyse
Am 25.März 2015 wurde der versiegelte CVR zur BEA geschickt.
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Bild 9 – Cockpit Voice Recorder (CVR) – D-AIPX
Der CVR war schwer beschädigt, die Speicherkarte wurde aus dem geschützten Modul entnommen, augenscheinlich untersucht und elektronisch getestet. Das offizielle Equipment des CVR Herstellers wurde verwendet um die Daten auszulesen und ermöglichte es sechs Audio Spuren zu extrahieren:
 Vier Spuren von 31 Minuten und 3 Sekunden Dauer:
o Eine Spur einschließlich des Funkverkehrs und dem Mikrofonsignal des Copiloten.
o Eine Spur einschließlich des Funkverkehrs und dem Mikrofonsignal des Kapitäns.
o Eine Spur einschließlich des Funkverkehrs und dem Headset-Mikrofonsignal des Jump Seat.
o Eine Spur einschließlich des Signals des Mikrofons für die Cockpit Umgebung in hoher Qualität.
 Zwei Spuren von 2 Stunden und 4 Minuten Dauer:
o Eine Spur einschließlich der ersten drei gemischten Spuren.
o Eine Spur einschließlich des Signals des Mikrofons für die Cockpit Umgebung in Standard Qualität.
Die Audio Dateien der Aufzeichnungen gehörten zu dem Unfallflug. Ein Teil des vorangegangenen Fluges ist ebenfalls in den 2-Stunden-Spuren enthalten.
Das Atemgeräusch wurde während des Unfallfluges auf Seiten des Kapitäns und auf Seiten des Copiloten aufgezeichnet. Das Atmen entspricht nur dem Atmen einer Person, obwohl es auf beiden Spuren vorkommt. Es kann mehrmals gehört werden während der Kapitän spricht (er hat da keine Atemgeräusche gemacht) und ist nicht zu hören, wenn der Copilot10 isst (was erfordert, dass das Mikrofon zur Seite geschoben oder das Headset entfernt wird). Dieses Atemgeräusch wurde daher dem Copiloten zugeordnet.
Ausbau des FDR und Analyse
Am 2. April 2015 wurde der versiegelte FDR zur BEA geschickt.
Er war schwer beschädigt durch mechanische und Hitzeeinwirkungen. Das gesamte Gerät war mit Ruß bedeckt. Nachdem das geschützte Modul aus dem Rekorder Gehäuse entfernt worden war, wurde die Speicherkarte aus dem geschützten Modul entfernt.
10 Der Copilot aß seine Mahlzeit während des Steigfluges um ca. 09:15 Uhr
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Bild 10 – Flight Data Recorder (FDR) – D-AIPX
Das offizielle Equipment des FDR Herstellers wurde verwendet um die Daten auszulesen und resultierte in 39 MB Flugdaten einschließlich des Unfallfluges.
1.8.3 Synchronisierung der Aufzeichnungen
Die Aufzeichnungen des CVR wurden mit dem Funkverkehr des Marseille Kontrollzentrums synchronisiert (die Zeit des Kontrollzentrums diente als Referenz). Die Aufzeichnungen des FDR wurden dann mit denen des CVR synchronisiert; verwendet wurden der Funkverkehr mit dem Kontrollzentrum, das Auslösen des GPWS Alarms, und der Master Warning Parameter.
1.8.4 Vorheriger Flug
Der FDR hatte alle Daten des vorangegangenen Fluges von Düsseldorf nach Barcelona aufgezeichnet. Die Aufzeichnungen des CVR schlossen die letzten 50 Minuten diese Fluges ein. Die Synchronisation dieser Aufzeichnungen mit dem Funkverkehr des Kontrollzentrums in Bordeaux, mit dem die Besatzung in Kontakt war, erfolgte nach den gleichen Prinzipien wie für den Unfallflug.
Die folgenden Fakten des vorangegangenen Fluges sind von Interesse:
 Um 07:19:59 Uhr wurden Geräusche aufgezeichnet, die dem Geräusch des Öffnens und dann dem Geräusch des Schließen der Cockpittür ähnlich sind und dem Zeitpunkt entsprechen als der Kapitän das Cockpit verlässt. Zu dieser Zeit war das Flugzeug in Reisefluggeschwindigkeit in Flugfläche 370 (37 000 ft).
 Um 07:20:29 Uhr wurde der Flug an das en-route Kontrollzentrum Bordeaux übergeben. Und die Besatzung wurde aufgefordert auf die Flugfläche 350 (35 000 ft) zu sinken. Die Anweisung wurde vom Copiloten zurück gelesen.
 Um 07:20:32 Uhr ging das Flugzeug in den Sinkflug auf Flugfläche 350 über, der einige Sekunden zuvor eingestellt worden war.
 Um 07:20:50 Uhr reduzierte sich die eingestellte Höhe für drei Sekunden auf 100 ft, erhöhte sich dann auf den Maximalwert von 49 000 ft und stabilisierte sich dann wieder bei 35 000 ft.
 Um 07:21:10 Uhr gab das Bordeaux Kontrollzentrum der Besatzung die Anweisung den Sinkflug auf Flugfläche 210 fortzusetzen.
 Um 07:21:16 Uhr betrug die eingestellte Höhe 21 000 ft.
 Von 07:22:27 Uhr an betrug die eingestellte Höhe für die meiste Zeit 100 ft und veränderte sich mehrfach bis sie sich um 07:24:13 Uhr bei 25 000 ft stabilisierte.
 Um 07:24:15 Uhr wurde der Türsummer, für den Zutritt zum Cockpit aufgezeichnet.
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 Um 07:24:29 Uhr wurde das Geräusch wie vom Entriegeln und dem Öffnen der Cockpittür aufgezeichnet; dies entsprach der Rückkehr des Kapitäns.
Die nachfolgende Darstellung gibt die extrahierten FDR Daten wieder und veranschaulicht die Veränderungen in den eingestellten Höhen.
Bild 11 – Sinkflug während des vorangegangenen Fluges
1.8.5 Untersuchung des Quick Access Recorders (QAR)
Das Flugzeug war mit dem folgenden QAR ausgestattet:
 Hersteller: Teledyne
 Modell: WQAR
 Typen-Nummer: 2243800-362
 Seriennummer: RA00815
Der QAR zeichnet die gleichen Daten auf wie der FDR und speichert sie auf einer Compact Flash Card und einer SD Card. Diese Daten werden von der Fluggesellschaft speziell für das Fluganalyseprogramm verwendet.
Am 25. März 2015 wurde der versiegelte QAR zur BEA geschickt. Er hatte schwere mechanische Schäden. Die Compact Flash Card und die SD Card, die die Flugdaten enthielten, wurden aus dem Computer entfernt. Röntgenaufnahmen der Speicherkomponenten der zwei Karten ergaben, dass sie so sehr beschädigt waren, dass es unmöglich war die gespeicherten Daten auszulesen.
Der FDR wurde vier Tage später gefunden und die Daten analysiert.
1.9 Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug
Der Unfallort befand sich in gebirgigem Gelände, im Magistrat Prads-Haute-Bléone (04), 1 550 m über dem Meeresspiegel11. Das Wrack war zersplittert und große Mengen von Wrackteilen lagen auf vier Hektar verstreut in einer abfallenden felsigen Schlucht. Die größten Flugzeugteile waren ca. 3 bis 4 m lang.
11 Die geografischen Koordinaten der Unfallstelle: 44°16’47.2“N / 006°26’19.1“E
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Am unteren Teil der Unfallstelle, ca. 20 m über der Schlucht, befindet sich ein Gebiet in dem die Vegetation aufgerissen wurde, Baumstämme wurden entwurzelt, Äste abgebrochen und der Boden war aufgeworfen. Teile der Flugzeugflügel und des Rumpfes wurden in diesem Gebiet gefunden. Abgesehen von diesem Gebiet und dem eigentlichen Trümmerfeld wurde kein weiterer Kontakt mit der Umgebung der Unfallstelle festgestellt.
Vor Ort wurden Bauteile, die zu unterschiedlichen Teilen des Flugzeuges gehörten, identifiziert. Ein Triebwerk war in viele Teile zerbrochen und lag in der Hauptschlucht. Die Trümmer des anderen Triebwerks wurden in der westlichen Hauptschlucht, begrenzt auf ein kleines Gebiet, gefunden
Die Hilfsgasturbine (Auxilary Power Unit, APU) wurde im oberen Teil der Unfallstelle gefunden, Du-zenden Meter von dem Teil des hinteren Rumpfes entfernt, an dem das Leitwerk befestigt ist. Eines der Hauptfahrwerke wurde in der Nähe dieses Teils des Rumpfes gefunden.
Teile des Cockpits (Zutrittstür zum Cockpit, Sidestick, Sicherheitskamera) wurden ebenfalls im obe-ren Teil der Unfallstelle gefunden.
Der untere Teil der Unfallstelle roch stark nach Kerosin.
Der CVR, QAR, und der FDR wurden am 24. März, 28. März, und 2. April gefunden und sofort zur Analyse zur BEA gebracht.
Hinweis: Die Front des FDR wurde getrennt vom Rest des Rekorders, in dem sich das Crash Modul befindet, gefunden.
Bild 12 – Übersicht über die Unfallstelle
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Bild 13 – Berührung mit Vegetation
1.10 Überlebensaspekte
Die Heftigkeit der Kollision mit dem Gelände führte zum sofortigen Tod aller Flugzeuginsassen.
1.11 Organisationen und deren Verfahren
Die Germanwings GmbH (GWI) wurde in Jahr 2002 gegründet. Sie ist eine Tochtergesellschaft der Lufthansa Gruppe, die seit Januar 2009 100% der Anteile hält. Das Luftverkehrsbetreiberzeugnis (Air Operator’s Certificate, AOC) in der aktuellsten Nachprüfung wurde am 20. Oktober 2014 vom LBA ausgestellt. Es ist bis zum 10. August 2015 gültig.
GWI betreibt 62 Airbus Flugzeuge (43 A319 und 19 A320) und bietet Flüge von Deutschland zu vielen Europäischen Ländern an. Germanwings beschäftigt ca. 780 Flugbesatzungsmitglieder und 972 Kabinenbesatzungsmitglieder.
Die Flugbesatzungen werden durch die Geschäftsleitung der Lufthansa Gruppe gemanagt. Am Ende der Ausbildung bei Lufthansa (Lufthansa Flight Training School) entscheidet die Geschäftsführung wie das Personal auf die verschiedenen Luftfahrtunternehmen der Gruppe aufgeteilt wird: Lufthansa, SWISS, Austrian Airlines, oder Germanwings.
1.12 Zusätzliche Informationen
1.12.1 Zeugenaussagen
Alle Augenzeugen, die in der Nähe der Unfallstelle waren, sagten aus, dass sie das Flugzeug in einem kontinuierlichen Sinkflug, im Geradeausflug und mit horizontalen Flügeln gesehen haben.
1.12.2 Frühere Ereignisse
Eine Suche in den Datenbanken von ICAO und BEA seit dem Jahr 1980 hat ergeben, dass es sechs Unfälle mit Verkehrsflugzeugen gegeben hat, deren Schlussfolgerungen in den Berichten entweder zeigen, dass sie durch absichtliche Manöver eines Besatzungsmitgliedes verursacht wurden, oder meinten die Hypothese könne nicht ausgeschlossen werden, dass absichtliche Manöver eines Besatzungsmitgliedes zum Verlust des Flugzeuges und der Insassen führen sollte.
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Datum Luftfahrzeug Luftfahrtunternehmen Ereignisstaat Todesfälle Umstände
29. Nov 2013
ERJ 190
LAM
Namibia
33
Das Flugzeug war im Reiseflug in Flugfläche 380 als der Copilot das Cockpit verließ um zur Toilette zu gehen; der Kapitän blieb alleine zurück. Dreimal wurden verschiedene Höhen eingestellt um das Flugzeug mit dem Autopiloten in den Sinkflug bis zum Boden zu zwingen. Der CVR zeigte akustische Warnungen und Geräusche von wiederholtem Klopfen und Rufen, die den Versuchen entsprechen ins Cockpit zu kommen.
31. Okt 1999
B767
EgyptAir
Nord Atlantik
Ozean
217
Das Flugzeug war im Reiseflug in Flugfläche 330 mit einer Besatzung, die aus Kapitän, Copilot und Relief-Copilot bestand. Der Copilot verließ das Cockpit und der Relief-Copilot übernahm seinen Platz auf dem rechten Sitz. Acht Minuten später verließ auch der Kapitän das Cockpit; der Relief-Copilot blieb alleine zurück. Der Autopilot wurde ausgeschaltet und der FDR zeichnete abwärts gerichtete Steuereingaben auf. Das Flugzeug sank. Die Triebwerke wurden abgeschaltet. Der Kapitän kam zurück ins Cockpit und versuchte die Kontrolle über das Flugzeug zurück zu gewinnen. Der Kapitän bat den Copiloten wiederholt ihm zu helfen das Flugzeug wieder hoch zu ziehen („Pull with me“) aber die Steuereingaben des Copiloten veranlassten das Höhenruder weiterhin die Flugzeugnase nach unten zu drücken. Das Flugzeug erlangte Höhe zurück bevor es wieder zu sinken begann. Es prallte auf der Oberfläche des Ozeans auf. Die Gründe, die den Copiloten zu diesen Handlungen veranlassten konnten nicht geklärt werden.
11. Okt 1999
ATR-42
Air Botswana
Botswana
1
Der Pilot, die einzige Person an Bord, flog das Flugzeug durch einen Absturz am Flugplatz Gaborone absichtlich in den Boden. Die Gültigkeit seiner Lizenz war aus medizinischen Gründen widerrufen worden.
19. Dez 1997
B737
Silk Air
Indonesien
104
Während sich das Flugzeug im Reiseflug in 35 000 ft befand, stoppten die Flugdatenschreiber einer nach dem anderen die Aufzeichnung. Plötzlich begann das Flugzeug zu sinken. Kein Notruf (Mayday) wurde vor oder während des Sinkfluges übermittelt. Das Flugzeug stürzte in einen Fluss. Die Sicherheitsuntersuchung konnte keine technischen Probleme identifizieren, die den Unfall hätten erklären können.
21. Aug 1994
ATR42
Royal Air Maroc
Marokko
44
Der Kapitän schaltete den Autopiloten ab und steuerte das Flugzeug absichtlich direkt in den Boden. Der Copilot war im Cockpit konnte aber den Handlungen des Kapitäns nichts entgegenhalten.
9. Feb 1982
DC-8
Japan Airlines
Japan
24
Nachdem er den Autopiloten während des Endanfluges in einer Höhe von 164 ft ausgeschaltet hatte, schob der Pilot das Steuerhorn nach vorne und zog die Schubhebel in den Leerlauf. Dann zog er die Schubhebel der Triebwerke 2 und 3 in die Position „reverse idle“. Während die Höhe des Flugzeuges abnahm versuchte der Copilot das Steuerhorn zurückzuziehen. Der Copilot konnte die Flugzeugnase nicht nach oben ziehen, da der Kapitän das Steuerhorn mit beiden Händen nach vorne schob. Das Flugzeug stürzte 510 m vor der Landebahn ins Meer. Die Untersuchung zeigte, dass ein mentales Problem die Ursache für die Handlungen des Piloten war. Er hatte Schizophrenie.
1.12.3 EASA Safety Information Bulletin
Am 27 März 2015 hat die EASA das Safety Information Bulletin, SIB Nr. 2015-04 in Bezug auf die autorisierten Personen im Cockpit herausgegeben. Dieses Bulletin empfiehlt Luftfahrtunternehmen die Sicherheitsrisiken neu zu bewerten, die entstehen, wenn Flugbesatzungsmitglieder aus betrieb-lichen oder physiologischen Gründen in nicht-kritischen Flugphasen das Cockpit verlassen. Basie-rend auf dieser Beurteilung wird den Luftfahrtunternehmen empfohlen Verfahren zu implementieren, die fordern, dass sich immer zwei autorisierte Personen im Cockpit befinden, oder andere gleich-wertige entschärfende Maßnahmen, die die Risiken adressieren, die die Luftfahrtunternehmen durch ihre revidierte Beurteilung identifiziert haben.
Für weitere Informationen: http://ad.easa.europa.eu/ad/2015-04
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2 – ERSTE SCHLUSSFOLGERUNGEN
Basierend auf den ersten Fakten, die während der Untersuchung gesammelt wurden, wurden die folgenden Schlussfolgerungen gezogen:
 Das Flugzeug hatte ein gültiges Certificate of Airworthiness.
 Die Instandhaltungsunterlagen des Flugzeuges enthielten keine Systemstörungen, die mit dem geplanten Flug inkompatible gewesen wären.
 Die Flugbesatzung hatte die Lizenzen und Berechtigungen den Flug durchzuführen.
 Der Copilot bekam sein Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 ohne Restriktionen im April 2008; es war für ein Jahr gültig.
 Zwischen April und Juli 2009, wurde die Erneuerung des Tauglichkeitszeugnisses Klasse 1 aufgrund einer depressiven Episode und der entsprechenden Medikation verzögert.
 Im Juli 2009 wurde sein Tauglichkeitszeugnis Klasse 1 mit dem Vermerk « Note the special conditions/restrictions of the waiver FRA 091/09 – REV-» versehen. Seine Pilotenlizenz wurde mit der Vermerk « ***SIC**incl. PPL*** » versehen.
 Die Schulungsunterlagen des Kapitäns und des Copiloten zeigen, dass ihr professionelles Niveau überdurchschnittlich war.
 Am 24. März 2015 um 09:00 Uhr startete das Flugzeug mit der Flugnummer 4U9525 und dem callsign GWI18G in Barcelona für einen Flug nach Düsseldorf.
 Autopilot und Autothrust waren während des Steigfluges eingeschaltet.
 Der Kapitän verließ das Cockpit zu Beginn des Reisefluges in FL380.
 Die eingestellte Höhe veränderte sich von 38 000 ft auf 100 ft während der Copilot alleine im Cockpit war. Das Flugzeug begann einen kontinuierlichen und kontrollierten Sinkflug mit Autopilot.
 Während der Copilot alleine im Cockpit war, wurden mehrere Höhenveränderungen in Richtung 100 ft während des Sinkfluges auf dem, dem Unfall vorangegangenen Fluges, aufgezeichnet.
 Während des Sinkfluges des Unfallfluges versuchte das Marseille Kontrollzentrum 11 Mal auf drei verschiedenen Frequenzen die Flugbesatzung zu erreichen, aber es wurde keine Antwort übertragen.
 Das Französische militärische Verteidigungssystem versuchte dreimal Kontakt mit Flug GWI18G herzustellen, aber blieb ohne Antwort.
 Der Summer, der anzeigt, dass jemand Zutritt zum Cockpit haben möchte ertönte während des Sinkfluges; vier Minuten und sieben Sekunden nachdem der Kapitän das Cockpit verlassen hatte.
 Die Intercom ertönte im Cockpit vier Minuten und vierzig Sekunden nachdem der Kapitän das Cockpit verlassen hatte.
 Drei weitere Anrufe der Intercom ertönten im Cockpit.
 Keiner der Anrufe mit der Intercom rief eine Antwort hervor.
 Eine Minute und dreiunddreißig Sekunden vor dem Aufschlag, zeichnete der FDR eine Steuereingabe von ca. 30 Sekunden am rechten Sidestick auf, die nicht stark genug war den Autopiloten auszuschalten.
 Bis zum Ende der CVR und FDR Aufzeichnungen blieben Autopilot und Autothrust eingeschaltet.
 Bis einige Sekunden vor dem Ende des Fluges, zeichnete der CVR das Geräusch von Atmen auf.
 Vor der Kollision mit dem Gelände waren die Warnungen des GPWS, der Master Caution, und der Master Warning zu hören.
 Um 09:41:06 Uhr kollidierte das Flugzeug mit dem Gelände.
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3 – DIE LAUFENDE SICHERHEITSUNTERSUCHUNG
Die ersten Informationen der Untersuchung ergeben, dass während des Reisefluges der Copilot alleine im Cockpit war. Er hat dann die Eingaben im Autopiloten absichtlich so verändert, dass dieser das Flugzeug in den Sinkflug steuerte, bis es mit dem Gelände kollidierte. Während des Sinkfluges öffnete er nicht die Cockpittür trotz der Aufforderung für einen Zutritt über die Tastatur, die Wechselsprechanlage und Klopfen an der Tür.
Die Sicherheitsuntersuchung dauert noch an und basiert insbesondere auf einer detaillierten Analyse der Informationen über die Flugbesatzung, der Flugdatenschreiber, und des Funkverkehrs.
Die Untersuchung wird auch die systemischen Ursachen, die zu diesem Unfall und ähnlichen Vorkommnissen geführt haben könnten untersuchen. Dabei gibt es zwei Hauptuntersuchungsrichtungen:
1. Medizinische Aspekte: Die Untersuchung will versuchen die gegenwärtige Balance zwischen ärztlicher Schweigepflicht und Flugsicherheit zu verstehen. Sie wird insbesondere versuchen zu erklären, warum Piloten im Cockpit sein können, die die Intention haben, den Verlust des Flugzeuges und der Insassen zu verursachen, trotz der Existenz von:
 Gesetzen, die rechtsverbindliche medizinische Kriterien für Flugbesatzungen, insbesondere auf den Gebieten Psychiatrie, Psychologie und Verhaltensproblemen, festlegen,
 Auswahlverfahren und Anfangs- und wiederkehrende Trainingsverfahren innerhalb einer Fluggesellschaft.
2. Cockpitsicherheit: Die Untersuchung wird versuchen die Kompromisse zu verstehen, zwischen den Sicherheitsanforderungen, speziell die, die nach den Attacken des 11. September 2001 gemacht wurden, und den Anforderungen für die Flugsicherheit. In diesem Kontext wird die Untersuchung die Logik des Verriegelns von Cockpittüren und die Verfahren für den Zutritt zum und das Verlassen des Cockpits beinhalten.