Peitschenmissbrauch führt nicht mehr zur Disqualifikation

Das Oberlandesgericht hatte zum Deutsches Derby 2016 zu entscheiden, ob zu viele Peitscheneinsätze zur Disqualifikation führen.

„Isfahan“ und „Savoir Vivre“ bleiben die erst- bzw. zweitplatzierten Pferde des „Deutschen Derbys 2016“. Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat mit Urteil vom 30.10.2019 entschieden, dass die dahingehenden Urteile der Gerichtsbarkeit des beklagten Rennverbandes wirksam sind.

Geklagt hatte der Besitzer des drittplatzierten Pferdes „Dschingis Secret“. Er hatte vor den Gerichten des Rennverbandes letztlich erfolglos die Disqualifikation der Erstplatzierten wegen sog. „Peitschenmissbrauchs“ beantragt. Die Rennleitung hatte einen solchen Regelverstoß zwar festgestellt – acht bzw. neun Peitscheneinsätze statt des erlaubten fünfmaligen Gebrauchs -, aber lediglich den Jockeys Strafen auferlegt und den Verfall von Gewinnpunkten angeordnet. In ihrer zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Rennens geltenden Fassung sah die Rennordnung (RO) eine Disqualifikation u.a. in Nr. 623 (2) bei Verstößen gegen Vorschriften über die Durchführung der Rennen und in Nr. 623 (3) bei unzulässiger Verabredung, Betrug oder Anwendung eines unerlaubten Mittels vor. Der Kläger machte dabei geltend, der Manager des Pferdes „Isfahan“ habe den Jockey angewiesen, soweit nötig von der Peitsche Gebrauch zu machen, eine eventuelle Strafe werde von dem Besitzer des Pferdes übernommen. Gegenüber dem Zweitplatzierten, Savoir Vivre, wurde dieser Vorwurf nicht erhoben, der Kläger sah aber insoweit den Peitschenmissbrauch als Verwendung eines unerlaubten Mittels i.S.d. Nr. 623 (3) RO bzw. Verstoß gegen Vorschriften über die Durchführung der Rennen an.

Die Renngerichte hatten den Einspruch nach Entscheidungen in verschiedenen Instanzen letztlich zurückgewiesen. Während das vom Kläger angerufene Landgericht Köln geurteilt hatte, dass die Renngerichtsbarkeit wegen Verfahrensmängeln erneut über die Disqualifikation zu entscheiden habe, hat der 11. Zivilsenat die Entscheidungen der Renngerichte für wirksam gehalten.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass die staatlichen Gerichte in diesem Fall nur eine sehr begrenzte Prüfungskompetenz haben. Die Entscheidungen der Verbandsgerichte unterlägen aufgrund der Vereinsautonomie und der in § 661 BGB angeordneten Verbindlichkeit von Entscheidungen von Preisgerichten nur einer eingeschränkten Überprüfung. Sie könnten von den staatlichen Gerichten grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur auf schwerwiegende Verfahrensmängel überprüft werden, sowie darauf, ob die getroffene Entscheidung grob unbillig oder willkürlich sei.

Nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab seien die Entscheidungen der Renngerichte nicht zu beanstanden. Für die Beantwortung der Frage, ob und welche Sanktionen wegen der Regelverstößen auszusprechen sind, sei eine Auslegung der Rennordnung erforderlich gewesen, welche den Organen des Rennverbandes oblegen habe. Keiner der nach der Rennordnung in Betracht kommenden Gründe zur Disqualifikation stehe zweifelsfrei fest. Die Entscheidungen der Renngerichte, wonach weder ein Grund zur Disqualifizierung nach Nr. 623 (2) RO noch nach Nr. 623 (3) RO vorgelegen habe, seien weder offensichtlich rechtswidrig noch unbillig oder willkürlich.

Im Einzelnen habe das Renngericht seine erste Entscheidung vom 13.10.2016 in sich schlüssig und nachvollziehbar begründet. Mit Entscheidung vom 02.03.2017 habe das Obere Renngericht die Auffassung des Renngerichts zu Nr. 623 (3) RO gebilligt und nur darüber hinaus eine Disqualifizierung gem. Nr. 623 (2) RO für möglich gehalten. Auch die zweite Entscheidung des Renngerichts vom 03.04.2017 habe sich – anders als es das Landgericht angenommen habe – an den Regelungen der Rennordnung sowie den allgemein anerkannten Verfahrensgrundsätzen orientiert. Das Renngericht habe unter ausdrücklicher Zugrundelegung der vom Oberen Renngericht geäußerten Rechtsauffassung zu Nr. 623 (2) RO im Ergebnis vertretbar angenommen, dass der hierfür erforderliche Protest zu spät, nämlich nicht „vor dem Schluss des Zurückwiegens“, sondern erst fünf Tage nach dem Rennen eingelegt worden sei. Ob diese Protestfrist zu kurz, weil in der Praxis nicht umsetzbar sei, könne das staatliche Gericht nicht überprüfen, da die Frage einer Interpretation der Rennordnung bedürfe, welche allein den Vereinsorganen obliege. Schließlich sei auch die zweite Entscheidung des Oberen Renngerichts vom 18.07.2017, mit dem die Revision gegen die zweite Entscheidung des Renngerichts als unzulässig zurückgewiesen worden war, nicht unvertretbar dar, sondern orientiere sich am Wortlaut von Nr. 676 RO.

Das „Deutsche Derby“ ist das größte deutsche Galopprennen mit einem Starterfeld von insgesamt 18 Pferden und einem Preisgeld für den Sieger in Höhe von 390.000 Euro. Die Rennordnung ist zwischenzeitlich so geändert worden, dass ein unzulässiger Peitschengebrauch ausdrücklich nicht zu einer Disqualifizierung führt.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Nach der Streitwertfestsetzung durch den Senat ist die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof gegeben. Das Urteil wird demnächst im anonymisierten Volltext unter www.nrwe.de veröffentlicht.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 30.10.2019 – Az. 11 U 115/18.

Quelle
Dr. Ingo Werner
Dezernent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit