Mobbing

Derbe Bemerkungen, sexuelle Anspielungen, laute Anmache …. vieles kann Mobbing sein. Aber! Die Gerichte machen es den Opfern schwer die erlittenen Schäden durchsetzen zu können. Im Ergebnis kommen die Richter der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln ( 20.11.2008 -7 Sa 857/08 ) zu dem Ergebnis, dass ein überforderter Vorgesetzter selbst nicht schuldhaft mobbt.

Ein „Mobbing“-Verhalten, das geeignet sein soll, Schadensersatzpflichten auszulösen, ist abzugrenzen von sozialadäquaten arbeitsalltäglichen Konfliktsituationen. Kennzeichen für ein schadensersatzbewehrtes „Mobbing“ ist dabei ein systematisches Verhalten des oder der Schädiger, bei dem eine bestimmte Person fortgesetzt, bewusst und zielgerichtet angefeindet oder schikaniert wird.

Der Kläger behauptete aufgrund des Mobbingsverhaltens leide er unter einer andauernden schweren psychischen
Störung und einer negativen Persönlichkeitsveränderung. Hierfür hafte der mobbende Vorgesetzte wie auch der Arbeitgeber.

a. „Mobbing“ ist kein Rechtsbegriff und erst recht keine Anspruchsgrundlage (BAG, NZA 2007, 1154 ff.; ErfK/Preis, 7. Aufl., § 611 Rn. 768 a; Küttner/Reinecke, Personalbuch 2008, Stichwort Mobbing Rn. 1), sondern ein volkstümlich gewordener Sprachbegriff, mit dem eine Vielzahl unterschiedlicher Konfliktsituationen am Arbeitsplatz beschrieben wird, welche von mindestens einem der Betroffenen als gegen seine Person gerichtet und schikanös empfunden wird.
b. Hierunter können auch Verhaltensweisen gehören, die bei objektiver Betrachtung darauf abzielen, Rechtsgüter des Betroffenen wie insbesondere das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die Gesundheit nachhaltig zu beeinträchtigen. Solche Verhaltensweisen können Schadensersatzansprüche auslösen, wenn sie materielle und/oder immaterielle Schäden verursachen. Da das allgemeine
Persönlichkeitsrecht als Schutzrecht des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit eher dem ideellen Bereich zuzuordnen ist, kommen Ansprüche auf Ersatz materieller Schäden wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts allerdings nur ausnahmsweise in Betracht (BAG a. a. O.; BGHZ 143, 214).
c. Ein Schadensersatzanspruch wegen als „Mobbing“ bezeichneten Verhaltens anderer (Arbeitskollegen, Vorgesetze, Arbeitgeber selbst) setzt daher die Darlegung und den Beweis aller Anspruchsmerkmale der allgemeinen Anspruchsgrundlage voraus. Da der Kläger sich von seinem Vorgesetzten gemobbt fühlt, ihn aber keine vertraglichen Beziehungen mit ihm verbinden, kommen nur §§ 823 ff. BGB
als Anspruchsgrundlage in Frage. Das anspruchsbegründende Verhalten des Vorgesetzen muss daher schuldhaft sein, wobei sich das Verschulden auch auf den Schadenseintritt zu beziehen hat (BAG, NZA 2002, 871; LAG Schleswig-Holstein, NZA 2006, 402; Küttner/Reinecke, Personalbuch 2008, Stichwort Mobbing Rn. 3).
d. Jeder Entschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts setzt dabei allgemein voraus, dass die Verletzung schwerwiegend ist. Ob sie schwerwiegend ist, hängt von Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund sowie Grad des Verschuldens ab (BAG, NZA 2007, 1154 ff.; BAG, AP § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 8; BGHZ 160, 298).
e. Verhaltensweisen Dritter, die von einem Betroffenen als Mobbing empfunden werden, sind, wenn sie zur Begründung von Schadensersatzansprüchen führen sollen, abzugrenzen von Arbeitsplatzkonflikten allgemeiner Art. Die arbeitsteilige Wirtschaft bringt es typischerweise mit sich, dass am Arbeitsplatz Menschen unterschiedlicher Persönlichkeitsstruktur einem intensiven
sozialen Dauerkontakt ausgesetzt sind. Dies lässt es auf Dauer als nahezu unvermeidlich erscheinen, dass der Einzelne sporadisch und punktuell in soziale Konfliktsituationen hineingezogen wird. Derartige Erscheinungen sind als sozialadäquat anzusehen. Es bedarf somit der Abgrenzung solcher sozialadäquaten arbeitsalltäglichen Konfliktsituationen von einem „Mobbing“-Verhalten, dass geeignet ist Schadensersatzpflichten auszulösen.
f. Den zahlreichen von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Begriffsdefinitionen von „Mobbing“ ist gemeinsam, dass sie keine rechtliche Subsumtionshilfe bieten (BAG, NZA 2007, 1154 ff.). Sie tragen „eher zur Verwirrung als zur Klarstellung“ bei (Küttner/Reinecke, Personalbuch 2008, Stichwort Mobbing Rn. 1; Rieble/Klumpp FA 2002, 307; ArbG München, NZA-RR 2002, 123).
g. Die Rechtsprechung des BAG hat jedoch zutreffend und überzeugend herausgearbeitet, dass nur ein systematisches Verhalten des oder der Schädiger einen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt des „Mobbing“ begründen kann, bei dem eine bestimmte Person fortgesetzt, bewusst und zielgerichtet angefeindet oder schikaniert wird (BAG, NZA 1997, 781; BAG, NZA
2007, 1154 ff.).

b. Aus einer etwaigen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers kann ein Schadensersatz wegen materieller Schäden jedoch in der Regel nicht hergeleitet werden (BHGZ 143, 214; BAG, NZA 2007, 1154 ff.; LAG Rheinland-Pfalz vom 04.10.2005, 5 Sa 241/05).
c. Ein Anspruch auf Ersatz materieller Schäden käme somit allenfalls bei einer Verletzung des Rechts auf Körper, Leben und Gesundheit in Betracht.
aa. Tatsächlich hat der Kläger behauptet, aufgrund der Mobbinghandlungen des Vorgesetzten arbeitsunfähig erkrankt zu sein.
bb. Ob dabei der Kausalzusammenhang zwischen den vom Kläger behaupteten Handlungen einerseits, seiner zur Arbeitsunfähigkeit führenden gesundheitlichen Beeinträchtigung andererseits hinreichend dargelegt ist, kann offen bleiben. Allein die vom Kläger hierfür
vorgelegte sogenannte „Fachärztliche Bescheinigung zur Vorlage beim Arbeitsgericht“ vom 13.11.2007 reicht hierfür jedenfalls ersichtlich nicht aus.
cc. Maßgeblich ist jedoch, dass der Kläger in keiner Weise weiter spezifiziert hat, welche materiellen Nachteile ihm durch die behauptete vom Vorgesetzten verursachte Gesundheitsbeeinträchtigung im Einzelnen entstanden sind.
3. Aber auch ein Entschädigungsanspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen von den Beklagten zu vertretener immaterieller Schäden des Klägers liegt im Ergebnis nicht vor. Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 823 i. V. m. § 253 Abs. 2 BGB sind nicht erfüllt. Schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers in Verbindung mit den Erörterungen
im Kammertermin vor dem Berufungsgericht kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zu 1) den Kläger nicht nur fortgesetzt, sondern auch bewusst und zielgerichtet angefeindet oder schikaniert hat. Wie schon das Arbeitsgericht erkannt hat, fehlt es an der für ein schadensersatzbewehrtes Mobbingverhalten typischen Systematik schädigender Handlungen.
a. Betrachtet man die vom Kläger in der Berufungsinstanz erneut im Einzelnen aufgeführten sogenannten Mobbingvorfälle, so fällt auf, dass es nach der Darstellung des Klägers stets um verbale Entgleisungen des Vorgesetzten geht. Der Vorgesetzte soll den Kläger in verächtlichem Tonfall, unangemessen laut, unsachlich oder in einem in den Ohren zugleich anwesender anderer
Arbeitskollegen herabwürdigenden Tonfall verbal attackiert haben.
b. Andere typische Formen eines Mobbingverhaltens werden vom Kläger dagegen nicht vorgebracht. So hat der Vorgesetzte dem Kläger zufolge zwar mehrfach angedroht, ihn mit minderwertigen, in seiner Stellung „unwürdigen“ Tätigkeiten zu beschäftigen, der Kläger hat jedoch keinen einzigen konkreten Fall dargelegt, in dem der Vorgesetzte eine solche Drohung auch wahr gemacht hätte. Ebenso wenig ist erkennbar, dass der Vorgesetzte den Kläger in sonstiger Weise durch konkrete Arbeitsanweisungen schikaniert, von Gemeinschaftsaktivitäten ausgeschlossen oder ihm arbeitswichtige Informationen gezielt vorenthalten hätte.
c. Bei den vom Kläger behaupteten verbalen Entgleisungen der Vorgesetzten fällt wiederum auf, dass nach der eigenen Darstellung des Klägers in mindestens 7 von 11 Fällen das Arbeitsverhalten des Klägers Gegenstand der Äußerungen des Vorgesetzten war, sei es, dass er Arbeitsergebnisse beanstandete (angebrannte Puddingteilchen) oder vermeintlichen Anlass hatte, den Kläger zu schnellerem Arbeiten anzustacheln.
d. Entgleisungen, die sich auf die rein verbale Ebene beschränken, werden zwar tendenziell als weniger gravierend empfunden als handfeste Schikanen anderer Art. Gleichwohl erscheint es nicht ausgeschlossen, dass auch eine permanente Abfolge verbaler Attacken eine zur Schadensersatzverpflichtung führende Rechtsgutverletzung darstellen kann.
e. In den vom Kläger geschilderten Vorfällen wurde, auch wenn man die Darstellung der Vorfälle durch den Kläger im Wesentlichen als richtig unterstellt, seitens des Vorgesetzten jedoch die Grenze vom sozialadäquaten Arbeitsplatzkonflikt zu einem Mobbingverhalten noch nicht überschritten.
aa. Hierfür fehlt es nämlich zur Überzeugung des Berufungsgerichts an einem bewussten und systematischen Schädigungsverhalten.
bb. Zwar könnte die Behauptung des Klägers, anlässlich des Erlasses des Gleichstellungsbescheides habe ihm der Beklagte zu 1) im Oktober 2004 erklärt, „Ich mache dich so fertig, dass du von selber gehst“, auf das Gegenteil hindeuten. Andererseits hat der Kläger selbst jedoch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht in sachlicher Übereinstimmung mit dem Vorgesetzten geschildert, dass es nach einer von ihm absolvierten Therapiemaßnahme im Jahr 2005 zu einer längeren Aussprache zwischen ihm und dem Vorgesetzten gekommen sei, die der Kläger ausdrücklich mit dem Begriff „freundschaftlich“ charakterisiert hat. Ergebnis der Aussprache sei das gemeinsame Ziel gewesen „neu anzufangen“. Der Vorgesetzte hat ergänzt, dass es im Anschluss an dieses Gespräch über lange Zeit keine Probleme zwischen den Parteien gegeben habe.
cc. Des Weiteren hat der Vorgesetzte aber, vom Kläger bestätigt, auch ausgeführt, dass es im Betrieb der Beklagten zu 2) in den letzten Jahren aufgrund einer Verringerung der Personalstärke zu einer erheblichen Arbeitsverdichtung gekommen sei, die erhöhte Belastungen für die vorhandenen Arbeitskräfte mit sich gebracht hätten. Dabei habe auch er sich „irgendwie auch unter Druck“ gefühlt, da er als Backstubenleiter für die Aufrechterhaltung eines reibungslosen Betriebes verantwortlich sei.

dd. Auf der anderen Seite liegt es auf der Hand, dass ein gestiegener Arbeitsdruck gerade auch ältere Arbeitnehmer belastet, insbesondere wenn sie gesundheitlich vorgeschädigt sind. Um einen solchen älteren Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Vorschädigungen handelt es sich auch beim hiesigen Kläger: Der Kläger stand im Jahre 2007 in seinem 55. Lebensjahr. Der Kläger ist seit dem 19.03.2007 mit einem Grad der Behinderung von 70 % als schwerbehinderter Mensch anerkannt.
Bei ihm liegen ausweislich des Anerkennungsbescheides folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen vor: 1. Seelische Störungen; 2. Anerkanntes SVG-Leiden; 3. Abhängigkeitserkrankung; 4. Collitis ulcerosa, Asthma bronchiale; 5. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Lumbalsyndrom, Chondropathia patellae.
ee. Aus alledem ergibt sich zur Überzeugung des Berufungsgerichts folgendes Gesamtbild: Auch wenn man die Einzelfallschilderungen des Klägers aus der Berufungsbegründungsschrift als in ihrem Kern im Wesentlichen zutreffend unterstellt, hätte der Vorgesetzte damit in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Einzelfalls mit seinen Entgleisungen die Schwelle vom sozialadäquaten
Arbeitsplatzkonflikt zu einer durch systematische Anfeindungen gekennzeichneten bewussten Rechtsgutsverletzung (noch) nicht überschritten. Vielmehr handelte es sich bei seinen Entgleisungen – die Behauptungen des Klägers einmal als richtig unterstellt – teilweise um unreflektierte und mehr oder weniger gedankenlose Unmutsäußerungen oder um in Form und Anlass überzogene oder fehlgeleitete Versuche, das Arbeitsverhalten des Klägers zu verbessern bzw. ihn zu einer höheren Arbeitsgeschwindigkeit
anzutreiben (die übrigen Vorfälle). Nach Lage der Dinge wäre das Verhalten des Vorgesetzten, immer unterstellt, die Vorfälle hätten sich tatsächlich so abgespielt, wie vom Kläger behauptet, eher als Ausdruck partieller Überforderung in seiner Rolle als Vorgesetzter und Backstubenleiter zu werten als als bewusster und systematischer Versuch, den Kläger als Persönlichkeit „fertig zu
machen“.
ff. Erst recht fehlt es auch nach dem Sachvortrag des Klägers an belastbaren Anhaltspunkten dafür, dass es der Beklagte zu 1) bewusst darauf angelegt haben könnte, den Kläger in seiner Gesundheit zu schaden.
gg. Spiegelbildlich stellen sich dann auch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers, soweit sie nach dessen Behauptung durch den Arbeitsplatzkonflikt verursacht werden, ebenfalls eher als Zeichen individueller Überforderung durch die Arbeitsplatzsituation dar als als Folge bewusster Verletzungshandlungen durch den Vorgesetzten. Dabei ist auch zu bedenken, dass aufgrund des Umstands, dass der Kläger selbst auch über einen Meistertitel im Bäckerhandwerk verfügt, die an ihn gestellten Anforderungen nicht nur in den Augen des Vorgesetzten, sondern auch in seinen eigenen Augen noch höher geschraubt sind als bei einem „einfachen“ Bäckergesellen.
hh. Der Vorgesetzte hat somit die tatbestandlichen Voraussetzungen eines eine Entschädigungspflicht auslösenden Mobbingverhaltens nicht verwirklicht.


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