Mindestlohn

Nicht in allen EU Mitgliedstaaten besteht ein branchenübergreifender Mindestlohn. In Deutschland bestehen Mindestlöhne lediglich für einzelne Branchen und die Rechtsposition sind kontrovers.

Grundlage für branchenspezifische Mindestlöhne ist in der Regel das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG). In dieses Gesetz können Branchen aufgenommen und innerhalb einer Branche ein tariflicher Mindestlohn vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Antrag der Tarifvertragsparteien festgesetzt werden. Nur wenn mindestens die Hälfte aller Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt sind und ein öffentliches Interesse besteht, kann das Ministerium den Tarifvertrag über den Mindestlohn nach § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG) als allgemeinverbindlich erklären oder ihn in Form einer Rechtsverordnung umsetzen. Er gilt dann für alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber dieser Branche, auch für ausländische, in Deutschland tätige Arbeitgeber. Vorteil: Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns. Dieser Anspruch besteht auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses weiter und verjährt drei Jahre nach Ende des Jahres, in dem er entstanden ist.

Daneben bietet das Mindestarbeitsbedingungengesetz (MiArbG) die Möglichkeit, Mindestlöhne auch in solchen Wirtschaftszweigen festzulegen, in denen weniger als die Hälfte der Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt sind. Während im AEntG in der Regel auf eine tarifvertragliche Lohngestaltung zurückgegriffen wird, sind im MiArbG Grundlage für Mindestlöhne Beschlüsse von Expertenausschüssen. Bisher wurde hiervon noch nicht Gebrauch gemacht. Die Aktivierung des Gesetzes sei an der fundamentalen Uneinigkeit der politischen Parteien über die Handhabung des Mindestlohn-Problems gescheitert (Bachner in: Kittner/Zwanziger, § 9, Rn. 4)

Laut Mindestlohntabelle des Statistischen Bundesamtes galten am 1. September 2010 in Deutschland Mindestlöhne in vier Baubranchen (Bauhauptgewerbe, Maler- und Lackierergewerbe, Elektrohandwerk, Dachdecker), in der Abfallwirtschaft, bei Bergbauspezialarbeiten, der Gebäudereinigung, bei Wäschereidienstleistungen sowie – der vorerst letzte Abschluss – seit 1. August in der Pflegebranche. Die Arbeitnehmer in diesen Branchen verdienen zwischen 6,50 Euro pro Stunde (Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft in den neuen Ländern und Berlin) und 12,95 Euro (Baugewerbe im früheren Bundesgebiet).

Die Lohn-Untergrenze, die Arbeitgeber mit ihren Mitarbeitern im Arbeitsvertrag vereinbaren dürfen, richtet sich nach der gesetzlichen Regelung über sittenwidrige Rechtsgeschäfte, § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Entscheidend ist, wie der objektive Wert der Arbeitsleistung zu bestimmen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist eine Vertragsregelung sittenwidrig, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und weitere als sittenwidrig zu beurteilende Umstände hinzukommen.
Das BAG geht vom so genannten Lohnwucher aus, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohnes erreicht (Urteil vom 22.04.2009, Az.: 5 AZR 436/08).

Das Landesarbeitsgericht (LAG) München hatte sich vor der Festlegung des Mindestlohnes in der Pflegebranche mit der Sittenwidrigkeit einer Lohnvereinbarung befasst und nahm – unter Beachtung der Rechtsprechung des BAG – als übliche Vergütung den in Bayern branchenüblichen Durchschnittslohn an (Urteil vom 03.12.2009, Az.: 4 Sa 602/09).

Lohnwucher ist nicht immer auch gleichzusetzen mit Billiglohn. Immerhin beeinträchtigt ein flächendeckender Mindestlohn die Flexibilität – sowohl für den Arbeitnehmer wie auch für den Arbeitgeber. Leistung lohnt sich nicht, denn egal was, ob und wieviel gearbeitet werden muß, der Arbeitnehmer hat das Polster, nirgends weniger als den Mindestlohn zu verdienen. Dabei leben ganze Branchen durch ihre Dienstleistungen und den erwirtschafteten Trinkgeldern. Und diese sind und waren bei freundlichem und aufmerksamen Leistungen üppig.

Der Weg zum Mindestlohn nimmt die Motivation zur Leistung und führt zu einer Gleichmachung auf allerniedrigstem Niveau.