Arbeiten im Ausland

Wann greift die Sozialversicherungspflicht!

Die Globalisierung ist inzwischen auch im Arbeitsverhältnis nicht mehr zu übersehen: Immer häufiger schicken Unternehmen ihre Arbeitnehmer vorübergehend ins weltweite Ausland, wo sie den Aufbau neuer Produktionslinien oder Niederlassungen betreuen. Zumeist wird in diesem Zusammenhang nicht hinterfragt, ob der entsandte Arbeitnehmer während des Auslandseinsatzes der deutschen Sozialversicherungspflicht unterliegt. Im Krankheitsfall, bei Arbeitslosigkeit oder bei späterem Rentenbezug können daher unliebsame Überraschungen auftauchen. Der Beitrag gibt einen Überblick, unter welchen Voraussetzungen ins Ausland entsandte Arbeitnehmer den Schutz der deutschen Sozialversicherung genießen.

Territorialitätsprinzip

Im Rahmen der Absicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung gilt das Territorialitätsprinzip, d. h. es gilt das Sozialversicherungssystem des Landes, in welchem die Beschäftigung erfolgt. Demnach gilt das deutsche Sozialversicherungssystem nur für in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer unabhängig von deren Staatsangehörigkeit. Bei einer Auslandstätigkeit gelten daher grundsätzlich die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Gastlandes.


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Europäische und bilaterale Regelungen

Werden Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers ins Ausland entsandt, ist zu unterscheiden: Erfolgt die Tätigkeit in einem Land der Europäischen Union, wird der Sozialversicherungsschutz über verschiedene europarechtliche Verordnungen (VO EWG 1408/71, VO EG 883/2004, VO 574/72) geregelt und gewährleistet. Im Allgemeinen darf hier die Entsendung in das EU-Ausland nicht länger als 12 Monate dauern, um den deutschen Sozialversicherungsschutz zu erhalten. Die Krankenkassen halten für die Freistellung von der ausländischen Sozialversicherungspflicht besondere Formulare bereit.

Bei einer Entsendung in einen Nicht-EU-Staat kann eine zusätzliche Sozialversicherungspflicht in Betracht kommen. Solche Überschneidungen werden von zahlreichen Sozialversicherungsabkommen geregelt, die die Bundesrepublik Deutschland mit einigen Ländern geschlossen hat, um auf diese Weise den Sozialversicherungsschutz sicherzustellen. Hierbei ist aber zu beachten, dass die jeweiligen Sozialversicherungsabkommen nicht immer sämtliche Zweige der Sozialversicherung abdecken.

Vertragslose Staaten

Für viele Länder gelten jedoch weder die EU-Verordnungen, noch existieren entsprechende Sozialversicherungsabkommen (sog. vertragslose Staaten), so dass dorthin entsandte Arbeitnehmer sich anderweitig (privat) absichern müssen, da eine Versicherung in der deutschen Sozialversicherung ausscheidet. Kann die deutsche Sozialversicherung nicht beibehalten werden, sollten die Arbeitnehmer zu ihrer Absicherung die entsprechenden Versicherungsangebote der Privatwirtschaft in Anspruch nehmen.

Ausstrahlung

Unter Umständen kann bei einer Beschäftigung in einem Land ohne Sozialversicherungsabkommen die deutsche Sozialversicherung greifen und in die Beschäftigung im Ausland „ausstrahlen“. Diese Ausstrahlung regelt § 4 SGB IV. Voraussetzung der Ausstrahlung ist, dass eine Entsendung vorliegt, der Aufenthalt im Ausland also im Voraus vertraglich begrenzt ist. Der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses muss in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Inland liegen. Anhaltspunkte hierfür können sein: 

Gehaltszahlung durch den im Inland ansässigen Arbeitgeber,
– Eingliederung des Arbeitnehmers in den inländischen Betrieb,
– Versteuerung des Gehaltes im Inland sowie
– Verbleiben des – wenn auch gelockerten – Weisungsrechtes beim inländischen Arbeitgeber.

Zudem kommt eine Ausstrahlung nur in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis bereits zuvor der deutschen Sozialversicherungspflicht unterworfen war. Sofern vor dem Auslandseinsatz noch keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt wurde (z. B. Studenten), muss der ins Ausland entsandte Arbeitnehmer einen Wohnsitz in Deutschland haben, um die Voraussetzungen der Ausstrahlung zu begründen. Einer Ausstrahlung steht indes nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer eigens für den Auslandseinsatz vom Arbeitgeber eingestellt wurde.

Beispiel:
Ein Arbeitnehmer wird von einem deutschen Arbeitgeber für eine elfmonatige Tätigkeit in Mexiko eingestellt. Hierbei handelt es sich um eine Entsendung nach § 4 SGB IV, so dass eine Ausstrahlung und damit eine Sozialversicherungspflicht in Deutschland in Betracht kommt.

Allerdings muss der Arbeitnehmer bei der Einstellung in Deutschland wohnen, denn eine Entsendung im Sinne von § 4 SGB IV scheidet aus, wenn der Arbeitnehmer im Ausland lebt und dort eine Tätigkeit für ein deutsches Unternehmen aufnimmt.

In jedem Fall darf während des Auslandseinsatzes das im Inland begründete Arbeitsverhältnis nicht als bloßes sog. „Rumpfarbeitsverhältnis“ bestehen bleiben. Dies ist z. B. der Fall, wenn in der Entsendevereinbarung geregelt wird, dass die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis während des Auslandseinsatzes ruhen und erst nach dessen Beendigung wieder aufleben.

Befristungserfordernis

Der Auslandseinsatz muss im Voraus vertraglich befristet sein, wobei das Gesetz selbst keine konkreten Höchstfristen kennt. Die Befristung kann sich zum einen daraus ergeben, dass die Dauer des Auslandseinsatzes auf einen konkreten Zeitraum begrenzt ist. Dann sollte der Auslandseinsatz insgesamt nicht länger als drei Jahre dauern, wenn die deutsche Sozialversicherungspflicht erhalten bleiben soll. Eine Befristung liegt zum anderen auch vor, wenn der Arbeitnehmer für ein konkretes (zeitlich begrenztes) Projekt ins Ausland entsandt wird (z. B. Aufbau der neuen Produktionslinie in China) und dies in der Entsendevereinbarung auch so festgehalten ist.
Wichtig ist, die zeitliche Begrenzung des Auslandseinsatzes bereits von vornherein festzulegen. Es reicht nicht aus, dass sich der Arbeitgeber den jederzeitigen Rückruf vorbehält oder der Arbeitsvertrag – wie allgemein üblich – bis zum Eintritt des Rentenalters befristet ist. Wird der unbefristet ins Ausland entsandte Arbeitnehmer vorfristig zurückgerufen, weil sich beispielsweise die Expansionspläne des Arbeitgebers nicht wie erhofft verwirklichen lassen, genügt dies ebenfalls nicht.

Fazit

Die Entsendung eines Arbeitnehmers in das Ausland muss mit ausreichendem zeitlichem Vorlauf vorbereitet werden. Arbeitnehmer werden nur dann motiviert sein, ihre Tätigkeit vorübergehend im Ausland auszuüben, wenn sie sicher sein können, hierdurch keine sozialversicherungsrechtlichen Nachteile zu erleiden.
Die Sozialversicherungsträger prüfen das Vorliegen der Voraussetzungen von § 4 SGB IV sehr streng. Angesichts dessen empfiehlt es sich, vor dem Beginn eines Auslandseinsatzes unbedingt eine rechtsverbindliche Klärung herbeizuführen.

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