Tele… komm…

Tele, komm!

Eine Leidensgeschichte von Eva Molnar

Ich wollte umziehen. Kurz vor Weihnachten letztes Jahr. Ich meine 2009. Alles war gepackt, nur noch mein Telefonanschluss musste umziehen. 500 Meter weit. Gleiche Vorwahl. Schon im November raunten Freunde:

„Ruf deinen Telekom an, das geht garantiert schief oder dauert Ewigkeiten.“

„Blödsinn, erwiderte ich, seit meinem letzten Umzug sind 10 Jahre vergangen, und die Telekom hat sich erneuert, verbessert, und außerdem passiert so was nur einmal.“

Obwohl, dachte ich dann bei mir, die Telekom hat damals 6 Wochen gebraucht und dann Nachbars Parkplatz für 3 Monate umgepflügt gelassen da man dort angeblich ein Kabel ausgraben musste. Das mit dem DSL (was man laut Werbung und Aussagen aller Service Mitarbeiterangeblich selber anschließen konnte), war auch nicht so glatt gelaufen, der arme Techniker kam dreimal wieder. Aber das war lange her, und ich bin eine blutige Optimistin.

So rief ich denn frohgemut am 17. Dezember des Jahres 2009 bei der Telekom an.

Merken Sie sich diese Nummer: 0800 330 1000!

Warum? Nervenkitzel pur! Sie werden nie wieder in Abenteuerurlaub fahren wollen. Aber genug mit dem Zynismus, ich will der Sache nicht vorgreifen.

„Ja, wunderbar, alles kein Problem, am 31. wird umgeschaltet.“.

„Ja“, warf ich ein, „haben Sie auch notiert, dass der Anschluss erst dran gemacht werden muss, in der Wohnung lag vorher kein Anschluss, der Elektriker hat das Kabel zwar gelegt, aber es muss noch jemand dran machen“.

„Jaja, da ruft Sie jemand vom Bau an. Aber das klappt alles in 6 Werktagen.“

Fröhlich teilte ich allen Freunden und Unken mit, dass ich nun zum neuen Jahr mein Telefon umgezogen hätte und alles gut ist. Doch Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, ich teilte allen meinen Kunden mit (ich bin Freiberuflerin), dass ich ein paar Tage eventuell nicht erreichbar wäre. Gottseidank gibt es so etwas wie Intuition.

Der 28. Dezember kam. Der 29.Dezember zog ins Land. Kein Anruf. Der 30.Immer noch kein Anruf. Der 31. Langsam wurde ich nervös.

Neujahr! Gespannt sprang ich aus dem Bett und kontrollierte mein Handy. Aber auch am 1. Januar 2010 – Nichts!

Ich rief bei der Telekom an. 0800 3301000

Ob man mir denn nicht mitgeteilt hätte, dass das erst zum 8. klappt? Nein hat man nicht!

„Jaja, am 8. Januar kommt jemand. Zwischen 8 und 13 Uhr. Seien Sie bitte zuhause.“.

Nun, ohne Telefon und Internet kann ich nicht arbeiten, und mietete mich so in meiner kurz aufwallenden Verzweiflung für eine Woche bei einem Büroservice ein. Das kostet. Wie viele Kunden mich in diesen Tage nicht erreicht haben und was mich das gekostet hat habe ich mit Rücksicht auf meine mittlerweile äußerst labile Psyche bei der Erwähnung des Wortes Telekom nicht ausgerechnet – aber das nur am Rande. Auch so, heute ist der 15. Januar 2010, und ich bin immer noch beim Büroservice.

Der 8. Januar kam. Ich hatte mir eine junge Dame für 10 € die Stunde bestellt, die in meiner neuen Wohnung auf die Herren Telekom-Techniker wartete.

Sie rief mich um 13 Uhr an. „Soll ich noch weiter warten? Hier ist keiner gekommen!“.

Mein Blutdruck schnellte auf 360. Ich rief bei der Telekom an. 0800 3301000.

„Jaja, der Termin ist auf den 12. geändert. Hat Sie da keiner angerufen? Da machen wir das doch mal so. Es kann ja sein, dass dann auch keiner kommt, dann rufen Sie doch mal bei uns an und fragen, ob einer kommt. Aber bleiben Sie von 8 bis 13 Uhr zuhause.“

Mein Blutdruck stieg auf nicht messbare Höhen.

„Wie bitte, es kann sein dass dann auch keiner kommt???“

„Ja, das kann schon sein, wenn die was anderes zu tun haben.“ Aber dann erlassen wir Ihnen die Gebühr für den Umzug.“.

Ich gab klein bei. Gut, dann am 12.

Der 12. Januar kam. Ich rief bei der Telekom an. 0800 3301000

„Kommt heute jemand?“

„Jaja, es kommt jemand“.

Es kam auch jemand. Von der Telekom. Mr. Arrogant kam reingerauscht, fummelte an einer Anschlussdose herum, ging in den Keller, fummelte am Kabel rum, ging wieder hoch, holte ein großes rotes Telefon hervor und sagte: „Das geht jetzt.“ Und verschwand.

Ich schloss meine Kabel an und hob den Hörer ab. Nichts ging.

Wutentbrannt rannte ich die Treppe hinunter und schaffte es gerade noch, mich Mr. Arrogant vor den Wagen zu werfen.

„Nichts geht, brüllte ich keuchend und versuchte eine Drohgebärde.

„Das geht“, tönte Mr. Arrogant und trat aufs Gas.

Ich hämmerte an die Autoschreibe. „Nichts geht“!

Mr. Arrogant ließ die Scheibe herunter und fauchte. “Dann haben Sie es falsch angeschlossen. Ist nicht mein Problem!“

Ich raste zurück ins Haus. Ich rief bei der Telekom an. 0800 330 1000

„Ihre Kundennummer bitte“.

„Ich habe meine Kundennummer nicht, die liegt im Büro.“

„Ohne Ihre Kundennummer kann ich Ihnen nicht helfen.“

„Alle Ihre Kollegen konnten mir ohne meine Kundenummer helfen!“

„Wenn Sie keine Kundennummer haben, kann ich Ihnen nicht helfen.“

„Dann verbinden Sie mich doch mal mit Obermanns Vorzimmer, vielleicht können die mir helfen“

„Das kann ich nicht“.

„Dann verbinden Sie mich doch mal mit jemandem, der das kann!“

„Das kann ich nicht.“

„Dann verbinden Sie mich doch mal bitte mit Ihrem Vorgesetzten?“

„Klick!!! Tuuut tuuut tuut“

Fassungslos starrte ich mein Handy an. Der sogenannte Service hatte aufgelegt!

Ich wählte die 0800 330 1000. zum ich weißnichtwievielten Male und kämpfte mich durch den dämlichen Sprachcomputer.

„Klick!!! Tuut tuut tuut“ Noch bevor ich jemanden dran hatte.

Und wieder. Und wieder.

Ich bekam Magenschmerzen. Die sehen meine Nummer und legen auf! Übelste Verschwörungstheorien rasten durch meinen Kopf. Dann kam mir die Idee. Wenn man doch 3 Telefonnummern hat, warum gebe ich dem Sprachcomputer nicht mal eine andere, mal sehen ob ich durchkomme.

Ich kam durch! Zufall oder Verschwörung…? Ich weiss es bis heute nicht.

„Telekom…“

„Mein Telefon geht nicht. Grade war ein Techniker da, der hat behauptet es geht und es geht nicht.“

„Warten Sie, ich messe mal die Leitung durch. „

„Ich messe immer noch…. Und immer noch…“

„Jaja, das kann ja auch nicht gehen, die Leitung kommt gar nicht an. Dann muss wohl noch mal einer kommen!“

„Und wieso geht das nicht? Da war doch grade einer da“?

„Ja, manchmal haben die Geräte die nicht so gut sind.“

Ich musste mich setzen.

„Und wann kommt jemand ?“, wimmerte ich.

„Bitte, ich bin Freiberufler, und habe seit Tagen kein Telefon, ich bin völlig am Ende, das geht schon so seit dem 31.“

„Jaja, der einzige Termin ist morgen zwischen 13 und 15 Uhr.“

„Ja, gut, ich bin da. Das klappt auch?“

„Ja, das hoffe ich mal.“

„Und wie ist das mit der Bezahlung? Ich möchte natürlich keine Grundgebühr für Januar bezahlen, wenn ich die Hälfte des Monats kein Telefon habe,“.

„Jaja, das müssen Sie dann mit den Kollegen regeln“.

Erschöpft sank ich auf meinem Sofa zusammen.

Der 13. kam. Mein Handy klingelte.

„Telekom. Ich bin gleich bei Ihnen.“

„Schön, ich bin da.“

Erleichtert schluckte ich den Rest meines Mittagessens hinunter und harrte der Dinge.

Es klingelte. Mr. Anscheinend-Kompetent-mit-Manieren stand vor der Tüte. Er gab mir sogar die Hand. Noch besser. Innerhalb von 3 Minuten lief das Telefon. Dann stutze er.

„Was ist denn mit dem DSL?“

„Ja, was ist denn mit dem DSL?“ antwortete ich angsterfüllt.

„Da rufe ich mal eben an.“

Er rief an. Er blickte finster. Ich hörte Wortfetzen… „oh, vergessen mit umzuziehen…“

Er legte auf. „Die haben vergessen, das DSL mit umzuziehen. Das kommt frühestens in ein bis zwei Wochen. Tut mir echt Leid für Sie. Ach ja, und noch was, die haben das gar nicht umgezogen, sondern einfach neu angemeldet, dass heißt Sie müssen dann ihren Router neu programmieren. Viel Glück!“

Ich rief die Telekom an. 0800 3301000.

„Ähhm, Sie haben anscheinend vergessen, mein DSL mit umzuziehen?“

„Jaja, das kann schon sein. Ich sehe das hat auch einer hier gekündigt, ja, komisch, sollte ja nur ein Umzug sein. Na da kann man nun nichts mehr machen. 6 Werktage Minimum, und Sie kriegen neue Zugangsdaten und müssen Ihren Router neu programmieren.“

„Und wann also?“

„Ja, sagte ich doch, dann so um den 20. Januar. Wenn die Kollegen es korrekt eingetragen hätten, wären es vier Tage gewesen, und alles wäre beim Alten.“.

„Und wie soll ich das programmieren?“

„Ja, da rufen Sie doch einfach noch mal an.“ Die 0800 330 1000.

Röchelnd wankte ich in die Küche und goss mir zum ersten Mal in meinem Leben mittags ein Glas Brandy ein. Nur zur Klarstellung – ich hasse Spirituosen, und ich trinke mittags nie. Nie.

Heute erzählte ich einem meiner Kunden die Geschichte – er fragte mich nur mit besorgtem Gesicht ob ich denn etwas anderes erwartet hätte. Augenscheinlich machte er sich Gedanken über meinen temporären und zugegebenermaßen völlig deplazierten Optimismus bezüglich dieses deutschen Unternehmens.

„Aber die anderen sind ja auch nicht besser“, erwiderte ich..

„Ja, da haben Sie recht, die sollten mal vom Kartellamt untersucht werden, wegen Absprache von schlechter Leistung!“

Wo er recht hat, hat er recht.

Aber, wenn ich es recht bedenke: Meine Wut ist verflogen. Ich bin nur noch zutiefst schockiert und empfinde eine Mischung aus tiefer Scham und ehrlichem Mitleid. Scham, weil es sich um ein großes börsennotiertes deutsches Unternehmen handelt – Mitleid, weil jedes Wesen, das sich in einem so erbärmlichen Zustand befindet, einfach Mitleid verdient, besonders dann, wenn ihm nicht mehr zu helfen ist.

Nun harre ich der Dinge die da weiter telekommen oder auch nicht telekommen – am 20. Januar 2010 geht’s weiter mit dieser Geschichte. Hoffentlich hänge ich bis dahin nicht an der Flasche.

In diesem Sinne.

ave maria!


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: