SEXUELLE BELÄSTIGUNG

Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz kann je nach Umfang und Intensität eine fristlose Kündigung oder ordentliche Kündigung rechtfertigen, ohne dass es zuvor einer wirksamen Abmahnung bedarf. Dies gilt auch bei nur verbalen sexuellen Belästigungen (hier: ungewolltes Zeigen pornographischen Bildmaterials und ungewolltes Anbieten von Geschlechtsverkehr).

Der 1969 geborene Kläger war bei der Beklagten seit 1991 als Krankenhelferpfleger beschäftigt. Es ist unstreitig bzw. bewiesen, dass der Kläger einer Kollegin auf seinem Handy ein Bild, auf dem eine nackte Frau mit gespreizten Beinen in Nahaufnahme zu sehen war, zeigte. Die Kollegin forderte ihn auf, das Bild sofort wegzunehmen. Eine andere Kollegin rief der zu dem Zeitpunkt alkoholisierte Kläger nachts im Dienst an und sagte unter anderem.: „ … dann nehme ich meinen Schwanz und stecke ihn in dein Loch und spritz ab.“ Die geschockte Kollegin beendete das Telefonat ohne irgendwelche Gegenäußerungen. Nachdem der Arbeitgeber von diesen Vorfällen Kenntnis erlangt hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist von 7 Monaten.

Das Arbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab.

Auf die Berufung des Klägers stellte das Landesarbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht fristlos, sondern ordentlich zum 31.12.2008 endete.

Das Gericht wertete die Handlungen des Klägers als von den betroffenen Frauen erkennbar unerwünschtes Verhalten und damit als sexuelle Belästigung. Unter Berücksichtigung der von der Gesellschaft aktuell gebotenen und verlangten Wertschätzung dem anderen Geschlecht gegenüber musste der Kläger wissen und respektieren, dass sein zweifelsfrei sexuell motiviertes Auftreten gegenüber seinen Kolleginnen weder gewünscht noch geduldet wird, sondern eine sexuelle Belästigung ist. Aus Sicht des Gerichts wog das sexuell belästigende Verhalten des Klägers schwer, zumal die Beweisaufnahme ergeben hatte, dass der Kläger im Betrieb für seine sexualisierte Sprache gegenüber weiblichem Personal bekannt war. Auch unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers reichte weder eine Abmahnung noch eine Versetzung aus, um auf das vom Kläger an den Tag gelegte Verhalten für alle Betroffenen maßvoll zu reagieren.

Dem Arbeitgeber war aber aufgrund der langen Betriebszugehörigkeit und des Fehlens handgreiflicher sexueller Übergriffe die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (3 Sa 410/08)


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