Rücktritt vom Kaufvertrag bei fehlender Baugenehmigung

Das OLG Rostock entschied, dass bei einem Wohnungskaufvertrag das Fehlen einer gültigen Baugenehmigung stets ein Sachmangel ist und der Kaufvertrag zurückabgewickelt werden kann. Dies gilt auch dann, wenn wenn im Kaufvertrag ein Sachmangelausschluß vereinbart wurde.

Ausnahmsweise steht der positiven Kenntnis im Rahmen einer Arglist die bloße Erkennbarkeit von aufklärungspflichtigen Tatsachen gleich, wenn sich diese dem Täuschenden nach den Umständen des Einzelfalles aufdrängen mussten.
Derjenige ist dann nach Treu und Glauben nicht berechtigt, seine Augen vor solchen Tatsachen zu verschließen. Weigert sich also der Verkäufer einer Immobilie, von sich aufdrängenden Umständen und deren sich ebenfalls aufdrängenden Bedeutung für einen Käufer Kenntnis zu nehmen, muss dies nach den für die Bankenhaftung entwickelten Grundsätzen dem positiven Wissen, dem sich der Verkäufer verschließt, gleichstehen.

Zu den Gründen der Entscheidungen:
1
Die Klägerin begehrt vom Beklagten aus eigenem Recht und darüber hinaus in Prozessstandschaft für Herrn Sch. die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung nebst Ersatz weiterer Aufwendungen.

2
Die Klägerin und ihr damaliger Lebensgefährte, Herr Sch., erwarben mit Vertrag vom 09.12.2005, UR-Nr. xxx/2005 des Notars B.-R., die mit Nr. 7 bezeichnete Eigentumswohnung in der A.straße 29, eingetragen im Wohnungseigentumsgrundbuch von S. Blatt 73057, zum Kaufpreis von 90.000,00 €, welche die Käufer im Rahmen eines Mietverhältnisses bereits seit 2000 bewohnten.

3
Im Rahmen von Verkaufsbemühungen wandte sich die Klägerin u.a. an die Bauordnungsbehörde und musste feststellen, dass für die Wohnungen im Dachgeschoss, zu denen auch die Wohnung Nr. 7 gehört, keine bauordnungsrechtliche Genehmigung vorliegt. Ebenso hatte der Beklagte den zur Wohnung Nr. 7 gehörenden Balkon ohne Baugenehmigung errichtet. Ein entsprechender Bauantrag war mit Bescheid vom 22.02.2000 zurückgewiesen worden.

4
Mit Schreiben vom 27.03.2009 forderten die Klägerin und Herr Sch. den Beklagten auf, bis zum 15.04.2009 eine bauordnungsrechtliche Genehmigung für die Wohnung und die Balkonanlage herbeizuführen. Der Beklagte teilte hierauf mit Schreiben vom 15.04.2009 mit, dass das Dachgeschoss bereits vor der Wende bewohnt gewesen sei. Er habe lediglich vorhandenen Wohnraum saniert, ohne in die Statik einzugreifen. Wände seien nicht verändert worden. Es seien auch nur vorhandene, stark sanierungsbedürftige Balkone erneuert worden, wofür von der ausführenden Firma eine Statik vorgelegen habe.

5
Am 17.04.2009 erklärten die Käufer gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag und machten Schadensersatzforderungen geltend. Der Beklagte wurde aufgefordert, den Kaufpreis bis zum 25.04.2009 zurückzuzahlen. Sie boten an, die notarielle Erklärung für die Rückübertragung des Wohneigentums abzugeben.

6
Am 22.06.2009 erteilte die Stadt S. der Klägerin eine Nutzungsuntersagung. Am 31.07.2009 teilte die Stadt S. mit, dass die Nutzungsuntersagung hinsichtlich der Balkonanlage aufgehoben worden sei. Auf Antrag des Beklagten vom 30.06.2009 hat die Stadt S. am 23.09.2009 für den Umbau und die Nutzungsänderung der Wohnung Nr. 7 eine Baugenehmigung mit Auflagen erteilt. Zwischenzeitlich hat der Beklagte den Bauantrag für die Wohnung Nr. 7 zurückgenommen.

7
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte habe das Fehlen der Baugenehmigung als Sachmangel bei Vertragsschluss arglistig verschwiegen. Daher greife der im Vertrag bestimmte Haftungsausschluss nicht. Der Ausbau der Wohnungen sei im Jahr 2000 durch den Beklagten erfolgt, auch sei die Wohnung zuvor nicht mit einem Balkon versehen gewesen. Das Dachgeschoss sei vor der Wende nicht bewohnt gewesen. Eine Genehmigung zur Wohnnutzung der Wohnung Nr. 7 habe seit Errichtung des Hauses um 1906 nie vorgelegen. Der Beklagte habe die Wohnung aus einem Trockenboden und drei Bodenkammern errichtet, hierzu die Wände verändert und folglich in die Statik eingegriffen. Er habe in den Trockenboden ein weiteres Fenster eingebaut, ein vorhandenes zu einer Balkontür umgestaltet und ein weiteres großes Dachflächenfenster eingebaut. Die Genehmigung für die Errichtung der Balkonanlage habe der Beklagte 1999 beantragt, welche jedoch unstreitig abgelehnt worden ist.

8
In Kenntnis der Umstände hätten die Klägerin und Herr Sch. die Wohnung 2005 nicht erworben. Es sei davon auszugehen, dass der Beklagte gewusst habe, dass Baugenehmigungen nicht vorliegen, aber notwendig wären. Dass sich der Beklagte bei Kaufvertragsabschluss über Notwendigkeit und Vorhandensein von Baugenehmigungen keine Gedanken gemacht haben will, stelle eine reine Schutzbehauptung dar.

9
Im Rahmen der Rückabwicklung hat die Klägerin Notarkosten, Grunderwerbsteuer, Grundbuchkosten, Kosten der Stadt S. in Höhe von 64,00 €, Wohngeld sowie Eigenheimzulage begehrt. Weiterhin hat die Klägerin Umzugskosten, Einlagerungskosten, Telefonummeldung, Ummeldekosten für das Auto, Mietkosten bis Januar 2010 geltend gemacht.

10
Der Beklagte hat behauptet, die Wohnung sei auch vor 2000 zu Wohnzwecken genutzt worden. Die Arbeiten, die erfolgt seien, bevor der Beklagte die Immobilie erworben habe, hätten daher als dem Bestandsschutz unterfallen gegolten. Im Hinblick auf die Abgeschlossenheitsbescheinigung der Stadt S. sei der Beklagte im guten Glauben davon ausgegangen, dass weitere Genehmigungen nicht erforderlich seien. Er habe Mängel nicht arglistig verschwiegen. Soweit er Sanierungsarbeiten vorgenommen habe, seien diese nicht genehmigungsbedürftig und wenn doch, jedenfalls jederzeit genehmigungsfähig. Von der Antragstellung und Antragsablehnung betreffend die Balkone habe er keine Kenntnis gehabt, denn der Antrag sei eigenmächtig und ohne seine Kenntnis von seiner Frau gestellt worden. Es sei der Klägerin unbenommen, eine Baugenehmigung für die Wohnung Nr. 7 einzuholen, seine Sache sei das nicht, weil er nicht Eigentümer sei. Er hat die Einrede der Verjährung erhoben.

11
Mit Grundurteil vom 18.01.2011 hat das LG Schwerin die Klaganträge zu 1. bis 3. dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Es hat den Rücktritt wegen Arglist des Beklagten für wirksam erachtet. Jedoch hielt es die Ansprüche zur Höhe noch nicht für entscheidungsreif. Wegen der Gründe im Einzelnen sowie der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil Bezug.

12
Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte die Klagabweisung weiter. Hilfsweise beantragt er die Zurückverweisung an das Landgericht.

13
Er ist der Ansicht, das Landgericht sei aufgrund einer unzureichenden und fehlerhaften Wertung des Sachverhaltes zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin vom Vertrag habe zurücktreten können, weil der vertragliche Haftungsausschluss wegen arglistiger Täuschung des Beklagten nicht greife. Es habe den wesentlichen Sachverhalt erkennbar nicht vollständig wiedergegeben. Der Beklagte habe das Haus 1993 im Wege der Rückübertragung übergeben bekommen. Aus dem zugehörigen Übergabeprotokoll vom 09.09.1993 ergebe sich, dass im Dachgeschoss ein Mietverhältnis mit einer Familie R. bestanden habe. Es ergebe sich weiter hieraus, dass im Dachgeschoss Räume in Größe von 60 qm an die Familie S./K. zu Wohnzwecken vermietet gewesen seien. 1994 habe der Beklagte mit der Sanierung des Hauses begonnen. Beginnend mit dem Erdgeschoss habe er mittels Handwerksbetrieben nach und nach alle Wohnungen saniert. Die Sanierung der Dachgeschosswohnungen sei 1999/2000 abgeschlossen worden. In jedem Geschoss seien eigenständige Sanitäranlagen eingebaut worden, die zuvor nicht vorhanden gewesen seien. Dies sei auch im Dachgeschoss der Fall gewesen. Die Teilungserklärung sei vom Beklagten mit notarieller Urkunde vom 29.12.1998 vollzogen worden. Aus der Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 10.11.1998, die den Käufern mit Kaufvertrag übergeben worden sei, ergebe sich, dass die Wohnungen 1 bis 8 als abgeschlossen gelten.

14
Er macht geltend, die Nutzungsuntersagungsverfügungen für die Wohnungen 7 und 8 seien auf Aktivität der Klägerin ergangen. Der Beklagte sei aus allen Wolken gefallen. Er sei zu keiner Zeit davon ausgegangen, dass die von ihm vorgenommenen Sanierungsarbeiten genehmigungsbedürftig seien. Schon zu DDR-Zeiten sei im Dachgeschoss der A. 29 – wie in den meisten umliegenden Häusern – gewohnt worden. Die Dachgeschosse hätten zwar heutigen Wohnanforderungen nicht genügt, seien aber durch Wände und Türen aufgeteilt gewesen. Die Verbesserungsarbeiten habe er vorgenommen, ohne auf den Gedanken des Genehmigungserfordernisses zu kommen. Ob eine solche Genehmigung überhaupt erforderlich wäre, hätte im Widerspruchsverfahren geklärt werden können. Einen Widerspruch gegen die Untersagungsverfügung habe die Klägerin aber nicht eingelegt.

15
Auch den Vorwurf der Arglist habe das Landgericht fehlerhaft festgestellt. Die Klägerin habe bereits keinen substantiierten Sachvortrag geleistet, aus dem sich die Arglist ergeben könnte. Auch die Beweisaufnahme sei so gestaltet gewesen, dass sie gar nicht auf die Feststellung der Arglist des Beklagten gerichtet gewesen sei. Zwar gehe das Landgericht im Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass die Arbeiten im Dachgeschoss einer Baugenehmigung bedurft hätten. In der Beweisaufnahme habe es aber keinen Niederschlag gefunden, dass der Beklagte wissentlich Sanierungsarbeiten im Bereich der Wohnungen Nr. 7 und 8 durchgeführt habe, ohne sich um die erforderliche Baugenehmigung zu kümmern. Der Beklagte, der noch heute davon ausgehe, dass für die Wohnung Nr. 7 keine Baugenehmigung erforderlich sei, habe schlicht nicht gewusst, dass für die Arbeiten eine Baugenehmigung erforderlich gewesen sei. Die Klägerin habe vor ihrem Einzug mitbekommen, dass umfassende Sanierungsarbeiten erfolgt seien, sie habe auch mitgeteilt bekommen, dass es sich um einen Erstbezug der Wohnung handele, sie habe aber weder bei Beginn des Mietverhältnisses im Jahre 2000 noch bei Abschluss des Kaufvertrages 2005 sich nach einer Baugenehmigung erkundigt. Sie habe auch keine Unterlagen bei Kauf herausverlangt, obgleich dies im Vertrag vorgesehen gewesen sei. Sie habe weder bei Anmietung noch bei Kauf Wert auf eine Baugenehmigung gelegt.

16
Auch bezüglich der Balkonanlage liege Arglist nicht vor. Es sei eine alte, nicht tragfähige Balkonanlage vorhanden gewesen. Zum Zeitpunkt der Erneuerung sei dem Beklagten eine Statik von dem ausführenden Unternehmen vorgelegt worden. Der Handwerker habe ihm mitgeteilt, dass es sich um eine genehmigte Statik handele. Dass nicht er, sondern seine Ehefrau, die Genehmigung beantragt und die Ablehnung erhalten habe, habe seine Frau in der Beweisaufnahme zweifelsfrei bekundet. Das Landgericht habe außer Acht gelassen, dass in den Bauakten der Stadt S. dokumentiert sei, dass er kein Wissen von dem Antrag gehabt habe. Aus Anlage B1 ergebe sich, dass seine Ehefrau darum gebeten habe, keine Eingangsbestätigung zu erteilen. Auf dem Zurückweisungsbescheid vom 22.02.2000 befinde sich ein handschriftlicher Vermerk, dass dieser persönlich abgeholt worden sei. Am 25.02.2000 habe Frau M. dafür unterschrieben, ihn abgeholt zu haben.

17
Die Klägerin begehrt die Berufungszurückweisung. Sie rügt, der Beklagte trage auch in der Berufungsinstanz falsch vor. Aus der Anlage B4 ergebe sich nur, dass Frau Sch. 60 qm im Dachgeschoss bewohnt habe. Eine Familie R. habe dort nicht gewohnt, so dass für das Dachgeschoss keine zwei Mietverträge existiert hätten. Nach Aussage aller erstinstanzlichen Zeugen habe sich in der linken Hälfte des Dachgeschosses ein einfacher Trockenboden befunden. Der Beklagte habe die Wohnung neu errichtet. Die Arbeiten des Beklagten seien im wesentlichen unbestritten auf den Seiten 2/3 des klägerischen Schriftsatzes vom 29.09.2009 dargestellt.

18
Der Beklagte habe nicht erst durch das Schreiben der Klägerin vom 27.03.2009 davon erfahren, dass Baugenehmigungen nicht vorliegen, denn nach seinem erstinstanzlichen Vortrag habe er dies schon immer gewusst. Die Klägerin habe eine Nutzungsuntersagung weder bestellt noch veranlasst. Eine Balkonanlage habe das Haus vor der Sanierung nicht gehabt, sondern einzelne Wohnungen hätten vorgehängte Balkone gehabt. Der Beklagte habe erstmals eine Ständeranlage errichtet.

19
Sie weist darauf hin, dass der Beklagte erstinstanzlich zunächst vorgetragen habe, dass er 1999/2000 Nachforderungen zu seinem Bauantrag für die Balkonanlage erhalten habe. Mit diesem Vorbringen habe der Beklagte auch am 26.01.2010 verhandelt.

II.

20
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat einen Rückabwicklungsanspruch der Klägerin aufgrund eines wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag zutreffend bejaht.

1.

21
Ist eine Kaufsache mangelhaft, kann der Käufer gemäß § 437 BGB nach den Vorschriften der §§ 440, 323, 326 Abs. 5 BGB vom Vertrag zurücktreten und nach den §§ 440, 280, 281 BGB Schadensersatz verlangen, soweit im Vertrag nichts anderes vereinbart ist.

22
Die streitgegenständliche Eigentumswohnung ist mangelhaft. Ist im Vertrag eine besondere Beschaffenheit der Kaufsache nicht vereinbart, ist diese gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet oder sonst sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.

23
Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die fehlende Baugenehmigung einen Sachmangel des veräußerten Wohnungseigentums darstellt (vgl. auch Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 123 Rn. 8), da diese den Wert und die Tauglichkeit zu dem vertraglich vorausgesetzten Gebrauch aufheben. Das Fehlen einer notwendigen Baugenehmigung stellt grundsätzlich einen Sachmangel im Sinne von § 434 BGB dar, weil die Baubehörde die Nutzung der Wohnung bis zur Erteilung einer Baugenehmigung untersagen kann (vgl. hierzu im weiteren BGH, Urt. v. 26.04.1991, V ZR 73/90, MDR 1991, 967; BGH, Urt. v. 30.04.2003, V ZR 100/02, NJW 2003, 2380) und vorliegend auch untersagt hat.

24
Somit hat sich bereits in Gestalt der Nutzungsuntersagungsverfügung das Risiko der fehlenden Baugenehmigung verwirklicht, die Kaufsache nicht zum vorgesehenen Vertragszweck nutzen zu können.

25
Ob die zwischenzeitlich bestandskräftige Nutzungsuntersagungsverfügung zu Recht ergangen ist und insbesondere ein Baugenehmigungsbedürftigkeit der vom Beklagten ausgeführten Baumaßnahmen bestand, hat der Senat nicht festzustellen. Die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes, welchen auch die Nutzungsuntersagungsverfügung darstellt, entzieht sich der Nachprüfbarkeit durch die Zivilgerichte und ist mit den verwaltungsverfahrenrechtlichen Instrumenten vorzunehmen. Dessen ungeachtet wird die Annahme des Senats, dass vorliegend eine Baugenehmigung erforderlich ist, auch dadurch gestützt, dass auf einen entsprechenden Antrag des Beklagten hin, eine Baugenehmigung unter erheblichen Auflagen ergangen ist, welche jedoch wegen der Rücknahme des Bauantrages durch den Beklagten gegenstandslos geworden ist. Wären die Umbauten des Beklagten im Bereich der Wohnung Nr. 7 entsprechend seinen Behauptungen genehmigungsfrei, wäre der Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zurückzuweisen gewesen.

26
In Anbetracht der nicht bestehenden Nachprüfbarkeit durch das Zivilgericht betreffend die Nutzungsuntersagungsverfügung kommt es auf die übrigen nicht nachgelassenen Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 05.12.2011 nicht an, so dass dieser auch keinen Anlass zur Wiedereröffnung des Verfahrens gibt. Selbst eine Berücksichtigung des Vorbringens und insbesondere der Anlage BB 1 würde gleichwohl nur die Genehmigungsbedürftigkeit der baulichen Maßnahmen bestätigen.

2.

27
Einem Rücktritt der Klägerin und des Herrn Sch. vom Kaufvertrag, dessen übrige Voraussetzungen der Senat mit dem Landgericht für gegeben erachtet, ist von den Vertragsparteien auch nicht wirksam ausgeschlossen worden. Zwar können die Vertragsparteien eines Kaufvertrages abweichend von § 437 BGB auch ganz oder teilweise einen Ausschluss der Gewährleistungsrechte vereinbaren. Gemäß § 444 BGB kann sich der Verkäufer auf solche Vereinbarung jedoch nicht berufen, wenn er den Mangel der Kaufsache arglistig verschwiegen hat.

28
Eine Arglisthaftung wegen der Täuschung durch Verschweigen offenbarungspflichtiger Mängel setzt voraus, dass dem Verkäufer Fehler bekannt waren oder er sie zumindest für möglich hielt und er billigend in Kauf nahm, dass dem Käufer diese Fehler nicht bekannt waren und er bei deren Offenlegung den Kaufvertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (BGH, Urt. v. 14.06.1996, V ZR 105/95, NJW-RR 1996, 1332; BGH, Urt. v. 22.11.1991, V ZR 215/90, NJW-RR 1992, 333; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 10.04.2008, 5 U 10/07 m.w.N.; Saarländisches OLG, Urt. v. 09.10.2007, 4 U 198/07, OLGR Saarbrücken 2008, 251). Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst damit nicht nur ein Verhalten des Veräußerers, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ und „Inkaufnehmens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (BGH, Urt. v. 12.04.2002, V ZR 302/00, IBR 2002, 383 mit Anm. Baden; OLG Koblenz, Urt. v. 09.02.2006, 5 U 111/05, MDR 2006, 1343).

29
Ein bloßes Schweigen kann eine arglistige Täuschung darstellen, wenn zum einen hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht. Eine solche Aufklärungspflicht besteht nur dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. Grundsätzlich ist es Sache einer jeden Partei, ihre eigenen Interessen selbst wahrzunehmen. Eine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Vertragsteils von Bedeutung sein können, besteht nicht. Für jeden Vertragspartner besteht lediglich die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsanschauung erwarten konnte.

30
Ausnahmsweise steht der positiven Kenntnis die bloße Erkennbarkeit von aufklärungspflichtigen Tatsachen gleich, wenn sich diese dem Täuschenden nach den Umständen des Einzelfalles aufdrängen mussten. Derjenige ist dann nach Treu und Glauben nicht berechtigt, seine Augen vor solchen Tatsachen zu verschließen (BGH, Urt. v. 28.04.2008, XI ZR 221/07, WM 2008, 1121; BGH, Beschl. v. 15.06.2010, XI ZR 318/09, WM 2010, 1448). Weigert sich also der Verkäufer einer Immobilie, von sich aufdrängenden Umständen und deren sich ebenfalls aufdrängenden Bedeutung für einen Käufer Kenntnis zu nehmen, muss dies nach den für die Bankenhaftung entwickelten Grundsätzen nach Ansicht des Senates dem positiven Wissen, dem sich der Verkäufer verschließt, gleichstehen.

31
So liegt der Fall hier. Dabei kann der Senat das Vorbringen des Beklagten, er habe sich überhaupt keine Gedanken um das Erfordernis einer Baugenehmigung gemacht, unterstellen. In Anbetracht der von ihm vorgenommenen umfassenden Arbeiten hätte es sich jedem verständigen Menschen aufdrängen müssen, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass diese einer behördlichen Genehmigung bedürfen. Dabei vermag der Senat dem Beklagten nicht darin zu folgen, dass er nur Vorhandenes saniert habe und für ihn deshalb kein Anlass bestanden habe, diese Möglichkeit in Erwägung zu ziehen. Bereits aus seinem eigenen Vorbringen ergibt sich, dass er in die Wohnung Nr. 7 Küche und Bad eingebaut hat und hierzu erst Wasser- und Abwasseranschlüsse dorthin verlegt hat. Ebenso räumt er ein, nichttragende Trennwände gestellt zu haben sowie Fußbelege aufgebracht zu haben. Darüber hinaus hat er mit der zunächst nicht genehmigten Balkonanlage auch der Wohnung Nr. 7 einen Balkon zugeordnet, der zuvor nicht vorhanden war. Um jedoch einen Zugang zu diesem Balkon zu schaffen, ist es nach dem Verständnis des Senats unumgänglich, einen Eingriff in die Außenhaut des Hauses vorzunehmen, um so eine ausreichende Türöffnung als Austritt zu schaffen und so erst die Nutzbarkeit des Balkons herzustellen. Schon diese umfangreichen Veränderungen und Arbeiten mussten dem Beklagten hinreichend Anlass geben, die Erforderlichkeit einer Baugenehmigung in Erwägung zu ziehen. Dass umfangreiche Bauarbeiten und Veränderungen an Gebäuden zumindest baugenehmigungspflichtig sein können, gehörte 1999/2000 auch zum Allgemeinwissen der Bürger in den neuen Bundesländern, denn die in der DDR übliche Praxis, in Eigenleistung ungenehmigte oder teilweise auch nicht genehmigungsbedürftige Veränderungen in einer abgeschlossenen Wohnung vorzunehmen, war seit langem überholt.

32
Dass der Beklagte dann, wenn er sich keine Gedanken um eine bauliche Genehmigungspflichtigkeit gemacht hat, sich ihm aufdringenden Kenntnissen verschlossen hat, findet weitere Stütze darin, dass er die Räumlichkeiten im Bereich der Wohnung Nr. 7 – wie sie vor dem Umbau bestanden – einer geänderten Nutzung zugeführt hat. Dass auch dies genehmigungspflichtig sein kann, war zum Zeitpunkt des Umbaus 1999/2000 in den neuen Bundesländern allgemein bekannt. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Beklagte hier nicht zum dauerhaften Wohnen bestimmte Räume zu einer abgeschlossenen Wohnung umgebaut hat. Alle im Verfahren erster Instanz angehörten Zeugen haben bestätigt, dass sich im Bereich der heutigen Wohnung Nr. 7 keine abgeschlossene Wohnung befand, sondern ein Großteil des Raumes durch einen Trockenboden in Anspruch genommen wurde. Auch die im Übrigen dort befindlichen Räume, die von der Ehefrau des Beklagten, der Zeugin M., als Mädchenzimmer bezeichnet wurden, stellten keine abgeschlossene Wohnung dar, da sie bereits nicht über die Grundanforderungen an Wohnraum verfügten. Wohnraum ist nur solcher Raum, der Menschen zum dauernden Aufenthalt, zum Schlafen, Kochen und Essen dient und daher zumindest eine Kochmöglichkeit und die Nutzung sanitärer Einrichtungen beinhaltet und Innenteil eines Hauses ist (Herrlein/Kandelhard-Both, MietR, 4. Aufl., § 549 Rn. 3; Palandt/Weidenkaff, a.a.O., vor § 535 Rn. 89; Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 5. Aufl., Vorbem. 5 vor § 535; Schmidt-Futterer/Blank, MietR, 10. Aufl., vor § 535 Rn. 83). Dass es sich gemessen an diesen Kriterien entsprechend der Beschreibung der erstinstanzlich vernommenen Zeugen für jedermann erkennbar bei den umzubauenden Räumlichkeiten nicht bereits um vorhandenen Wohnraum handeln konnte, liegt offen auf der Hand. Dass zum Zeitpunkt der Umbauten diese Räumlichkeiten zu dauerhaften Wohnzwecken genutzt wurden, behauptet auch der Beklagte nicht. Sofern er allerdings vortragen lässt, dass im Dachgeschoss seines Hauses schon immer zwei Wohnungen vorhanden gewesen seien, wird dies auch nicht durch die von ihm zum Beleg seiner Behauptung abgereichte Anlage B 4 bestätigt. Auch in Anbetracht des klaren erstinstanzlichen Beweisergebnisses, welches sich der Senat ohne weiteres zu eigen machen kann, erscheint dieser vom Beklagten auch in der Berufungsinstanz aufrecht gehaltene Vortrag wenig glaubhaft.

33
Wenn sich dem Beklagten zumindest die Möglichkeit einer Genehmigungspflichtigkeit seiner Arbeiten aber aufdrängen musste, hätte er das Fehlen einer solchen Genehmigung von sich aus offenbaren müssen. Dass eine solche für den Käufer einer Eigentumswohnung nicht gänzlich ohne Interesse ist, musste sich für den Beklagten schon daraus ergeben, dass im Kaufvertrag die Übergabe derselben gerade vorgesehen war. Darauf, dass die Klägerin und Herr Sch. nach Unterzeichnung des Kaufvertrages deren Vorlage nicht verfolgt haben, kann sich der Beklagte zu seinen Gunsten nicht berufen, denn seine Aufklärungspflicht bestand bereits vor bzw. bei Unterzeichnung des Kaufvertrages.

3.

34
Da der vereinbarte Haftungsausschluss wegen § 444 BGB nicht greift, sind auch Schadenersatzansprüche der Klägerin sowie solche in Gesamtgläubigerschaft mit Herrn Sch. gem. § 437 Nr. 3, 280, 281 BGB nicht ausgeschlossen. Das Landgericht hat diese zutreffend dem Grunde nach bejaht. Die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität hat es dabei offenbar dem Betragsverfahren überlassen, obgleich sich ausdrückliche Feststellungen hierzu im angefochtenen Urteil nicht finden.

4.

35
Steht einer Vertragspartei ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu und macht sie von diesem Gebrauch, sind gem. § 346 Abs. 1 BGB die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gezogene Nutzungen herauszugeben. Im Rahmen der Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses hat dabei eine Saldierung der gegenseitigen Ansprüche zu erfolgen. Dabei sind auch die vorliegend durch die Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüche einzubeziehen. Eine solche Saldierung hat bislang nicht stattgefunden. Insbesondere hat der Beklagte bislang nicht Gelegenheit ergriffen, seinerseits mögliche Forderungen zur Saldierung vorzubringen. Da er von einer Unwirksamkeit des Rücktritts ausgegangen ist und aus seiner Sicht hierzu also kein Anlass bestand, wird ihm auf richterlichen Hinweis hierzu Gelegenheit zu geben sein. Bereits insoweit ist der Rechtsstreit zwar seinem Grunde nach, nicht aber zur Höhe entscheidungsreif. Das Landgericht konnte daher gem. § 304 Abs. 1 ZPO ein Grundurteil erlassen und auch die Entscheidung über die haftungsausfüllende Kausalität in das Betragsverfahren verlagern.

OLG Rostock 3. Zivilsenat, Urteil vom 08.12.2011, 3 U 16/11

so auch BGH vom 12.4.2013 (V ZR 266/11)