EGMR stärkt die Meinungsfreiheit

Der EGMR hat mit dem Urteil EGMR HRRS 2011 Nr. 1081 (Heinisch v. Deutschland) die rechtliche Stellung des „Whistleblowers“ über die Meinungsfreiheit des Art. 10 EMRK erheblich gestärkt:

1. Schutz der Meinungsfreiheit für die Anzeige einer Mitarbeiterin gegen ihren Arbeitgeber wegen vermeintlich strafbarer Handlungen in seinem Herrschaftsbereich („whistleblowing“) und Verletzung durch eine Kündigung der Mitarbeiterin.

2. Der Staat unterliegt der Pflicht, die Wahrnehmbarkeit der Meinungsfreiheit auch im privaten Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schützen. Die Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ist jedoch auch hier zu beachten. In Fragen öffentlichen Interesses sind jedoch nur geringe Einschränkungen der Meinungsfreiheit hinzunehmen. Der gutgläubig agierende Arbeitnehmer hat prinzipiell ein Recht, strafbare Handlungen auch seines Arbeitgebers zur Anzeige zu bringen.

3. Die Vertragsstaaten der EMRK dürfen erforderliche, nicht aber exzessive Maßnahmen treffen, um falschen Anschuldigungen entgegenzuwirken, die ohne jeden Grund oder in bösem Willen gegen den Arbeitgeber erhoben werden. Jede Person, die Informationen preis gibt, muss nach den Umständen des Einzelfalls sorgfältig prüfen, ob die Informationen zutreffend und verlässlich sind. Von dem gutgläubigen Erstatter einer Strafanzeige kann aber vernünftigerweise nicht erwartet werden, vorherzusehen, ob die strafrechtlichen Ermittlungen auch zu einer Anklage führen werden.