Anwaltszulassung und Steuererlass

Das Finanzgericht Düsseldorf hatte entschieden, dass ein Anspruch auf Steuererlass besteth. Eine klagende Rechtsanwältin begehrte den Erlass der Steuerschulden aus Billigkeitsgründen zur Durchführung eines Schuldenbereinigungsverfahrens. Letzteres war erforderlich, um nicht die Anwaltszulassung zu verlieren. Die Klägerin war unverschuldet in eine wirtschaftliche Notlage geraten.

Der Vater der Klägerin, ein seit Jahrzehnten niedergelassener Gynäkologe, war seit 1993 Geschäftsführer einer GmbH, die ein Altenpflegeheim betrieb. Die Bewirtschaftung des Altenpflegeheims übernahm eine KG, die bis Oktober 2005 regelmäßig Gewinne erwirtschaftete. Die Klägerin, die als Rechtsanwältin in einer anderen Stadt zugelassen, verheiratet und Mutter von zwei 2006 und 2009 geborenen Kindern ist, übernahm auf Bitten ihres Vaters 2004 sämtliche Geschäftsanteile an der GmbH und die Kommanditeinlage an der KG. Zugleich schloss sie mit ihrem Vater einen Treuhandvertrag, nach dem sie sowohl ihre Geschäftsanteile als auch den Kommanditanteil an ihren Vater abtrat und für ihn nur treuhänderisch verwaltete. Weiter wurde die Klägerin Geschäftsführerin der Komplementärin unter Vereinbarung eines Arbeitsvertrags mit einem Monatsentgelt von 400 €. Faktisch überließ sie aber die Geschäftsführung in vollem Umfang ihrem bevollmächtigten Vater. Dessen Tätigkeit beaufsichtigte sie nicht. Die Erledigung und Überprüfung der steuerlichen Pflichten der KG und der Komplementärin waren einer Steuerberatungsgesellschaft übertragen.

Tatsächlich entnahm der Vater ab November 2005 unberechtigt Zahlungsmittel aus der KG. Die Gesellschaft geriet in die finanzielle Schieflage und war ab Mai 2006 insolvenzreif. Dies wurde der Klägerin erst in der zweiten Hälfte des Januar 2007 bekannt, da ihr Vater nach ihren Angaben dafür gesorgt hatte, dass sie über die wirtschaftliche Lage der KG und der Komplementärin nicht informiert wurde. Nach Kenntnis der wirtschaftlichen Lage stellte die Klägerin umgehend Insolvenzantrag. Ihr Vater und die von ihm geführte X GmbH gerieten ebenfalls in Insolvenz. Aufgrund der Insolvenz nahm das beklagte Finanzamt die Klägerin mit Haftungsbescheid nach §§ 34, 69 AO in Verbindung mit §§ 161, 128 HGB für die Steuerschulden der KG in Anspruch. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Mitte Juni 2008 schrieb die Klägerin alle ihre Schuldner an und bot ihnen den Abschluss eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans an, nach dem sie aufgrund eines ihr von ihrem Ehemann in Aussicht gestellten Darlehens von 15.000 € in den folgenden fünf Jahren die Abtretung ihrer pfändbaren Gewinne aus ihrer selbständigen Tätigkeit gegen Befreiung von der Restschuld in Aussicht stellte. Darin legte sie ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen und teilte mit, die zuständige Rechtsanwaltskammer habe im Hinblick auf § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO bereits ein Verfahren zum Entzug der Zulassung eröffnet und warte nur noch die Entscheidung über den Schuldenbereinigungsplan ab. Diesem Plan stimmten alle Gläubiger bis auf das Finanzamt zu. Ein Erlass nach § 227 AO komme nicht in Betracht. Gegen den ablehnenden Bescheid und nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben.

Diese ist nach Ansicht des Finanzgerichts Düsseldorfs begründet: die Klägerin habe einen Anspruch darauf, dass das Finanzamt dem von der Klägerin vorgeschlagenen und von ihren übrigen Gläubigern angenommenen Schuldenbereinigungsplan zustimme und einen insoweit bedingten Erlass ausspreche. Die Voraussetzungen für einen Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen lägen vor. Eine den Erlass hindernde Erlassunwürdigkeit der Klägerin sei nicht erkennbar. Ohne den bedingten Teilerlass unter Annahme des Schuldenbereinigungsplans sei die eigene wirtschaftliche Existenz der Klägerin als Rechtsanwältin gefährdet. Dass ihr Lebensunterhalt nicht gefährdet sei, weil sie derzeit gegenüber ihrem Ehemann einen Unterhaltsanspruch habe, sei unerheblich.

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 24. Februar 2010 – 4 K 212/10 AO